Oft aus Unwissenheit
Selbst für den kirchlichen Bereich, für Fragen im Zusammenhang mit dem richtigen Verhalten in Gotteshäusern und Gottesdiensten, gibt es inzwischen solche Ratgeber: "Kirchen-Knigge" genannt.
Wasserflasche mitbringen?
Darf man in die Kirchen eine Wasserflasche mitbringen? Welche ist die angemessene Kleidung? Was ist, wenn das Handy klingelt? Ist das Fotografieren beim Taufgottesdienst erlaubt? Solche und andere Fragen werden darin beantwortet. Denn es gibt bei uns inzwischen immer mehr Menschen, die mit den Gebräuchen und Einrichtungen der Kirchen nicht (mehr) vertraut sind - und nicht nur aus anderen Religionen.
Es wäre freilich ein Irrtum zu glauben, dass Benimm-Fragen rund um die Kirche und Liturgie erst heute wichtig geworden seien. Auch wenn Kirchlichkeit und Gottesdienst früher eine gesellschaftlich höhere Verbindlichkeit hatten, fällt auf, dass es schon immer Klagen über das Benehmen der Menschen gab, die an der Liturgie teilnahmen oder die Kirchen aufsuchten. Ja, diese Klagen und auch Verhaltensregeln dürften so alt wie der Gottesdienst selbst sein.
Bereits beim Apostel Paulus finden wir Rügen des Verhaltens von Gläubigen beim Herrenmahl in Korinth (1 Kor 11). Eine Kirchenordnung des 5. Jahrhunderts beschreibt, dass während des Gottesdienstes an Karfreitag und Karsamstag die Diakone umhergehen sollen, um schlechtes Benehmen der Kinder zu verhindern; auch sonst sollten sie bei den Gottesdiensten Schwätzer zurechtweisen, Zuspätkommende ermahnen und anderes mehr.
Geradezu unvorstellbar mutet es heute an, wenn im späten Mittelalter Geschäfte während des Gottesdienstes getätigt wurden und die Richter, denen ein besonderer Platz reserviert war, den Bürgern Audienz gewährten und Recht sprachen. Man spazierte und unterhielt sich selbst während des Gottesdienstes. Um den Umweg zu sparen, wurden schwere Lasten durch die Kirche getragen, selbst Schweine zum Markt hindurchgetrieben. Auf vielen alten Gemälden, die Kircheninterieurs zeigen, sind auch Hunde zu sehen.
Linktipp: Unser Gottesdienst
Obgleich immer weniger Menschen einen Gottesdienst besuchen, ist er das zentrale Element des Glaubens. Katholisch.de erläutert die Hintergründe der Messfeier.Aggressives Betteln in der Kirche, seit jüngster Zeit auch bei uns zu beobachten, war im Mittelalter immer wieder zu beklagen; schließlich war der Kirchenraum auch ein Versammlungsort vieler Menschen. Regelmäßig musste das Betteln innerhalb des Kirchenraumes verboten und vor das Portal verwiesen werden. Vom heiligen Philipp Neri wird gesagt, dass er - bei aller Liebe zu den Armen - die Bettler sogar selbst hinausgeführt habe ...
Noch bis in das vergangene Jahrhundert hinein gab es in den Kirchen Hinweisschilder, die das Ausspucken verboten - Tabakkauen war ein Laster, dem manche auch während des Gottesdienstes frönten. Und nicht nur die Laien: Die Priester hatten im alten lateinischen Ritus durch die Zelebration mit dem Rücken zum Volk auch Gelegenheit, sich dem Tabakgenuss hinzugeben, so wenn der eine oder andere, wie glaubhaft noch für die 1950er Jahre bezeugt, tiefgebückt zum Gebet "Munda cor meum" in der Mitte des Altares sich eine Prise Schnupftabak in die Nase schob ...
Heute sind es andere Verhaltensweisen, die auffallen und ungehörig erscheinen: Wenn eine Mutter während der Messe Kekse für die Kinder auspackt, wenn das Smartphone auch in der Liturgie benutzt wird, wenn Gottesdienstteilnehmer Kaugummi kauen oder mit übereinandergeschlagenen Beinen dasitzen. Auch beim Kommuniongang kann man erleben, dass manche Kommunizierenden offenbar nicht wissen, was sie tun. Wie reagiert man in diesen Fällen nicht nur von Seiten des Klerus her, sondern auch als Gemeinde, als einzelner Gläubiger? Ein dezenter, freundlicher, vielleicht auch humorvoller Hinweis kann schnell eine Situation lösen.
Aufklären über die Liturgie
Oft ist es ja nur die Unwissenheit mancher Menschen, die sich störend auswirkt. Vor allem aber scheint es wichtig, dass hinsichtlich mancher unverständlich gewordener Riten und Rituale der Liturgie für alle Gottesdienstteilnehmer entsprechende Erschließungen in der Predigt oder an anderer Stelle gegeben werden. Vieles wird noch zu sehr als selbstverständlich vorausgesetzt, doch das ist es nicht mehr überall. Von daher: ruhig auch einmal über das Kommunizieren predigen, die Haltungen, Gesten und Gebärden, ja das Verhalten überhaupt. Manch eine(r) wird dafür dankbar sein.