Andreas Püttmann zur Fünf-Prozent-Sperrklausel

Nötige Dämme statt falsche Hürden

Veröffentlicht am 09.05.2016 um 00:01 Uhr – Von Andreas Püttmann  – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Andreas Püttmann zur Fünf-Prozent-Sperrklausel

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Bei der Bundestagswahl 2013 wurden fast sieben Millionen (!) Wähler durch die Fünf-Prozent-Hürde um den Erfolgswert ihrer Stimme gebracht. Durch das knappe Scheitern von FDP und AfD und die Bockbeinigkeit der Grünen gerieten die Volksparteien erneut in eine Große Koalition. Sie führt zu Profilverlusten und einem Aufwuchs an den Rändern. Für die FDP verstärkte sich der Sog abwärts, sie scheiterte in allen Landtagswahlen 2014. Die Rechtspopulisten konnten sich weiter als Ausgegrenzte des "Systems" inszenieren und ihr Maulheldentum pflegen, statt Sachkompetenz und Politikfähigkeit nachzuweisen. Dumm gelaufen für die repräsentative Demokratie.

Die Sperrklausel, gedacht zum Schutz und zur Effizienzsteigerung der staatlichen Institutionen, bewirkt heute das Gegenteil. In Sachsen-Anhalt, wo die FDP jüngst mit 4,9 Prozent (Erststimmen: 5,5 Prozent) an ihr scheiterte, blieb mit Schwarz-Rot-Grün nur eine einzige Koalitionsoption ohne die ideologischen Randparteien – am seidenen Faden von 0,2 Prozent über Fünf für die Grünen hängend.

So darf es nicht weitergehen! Wenn populistische Radikale wie die AfD in Magdeburg sicher in die Parlamente einziehen, demokratisch bewährte kleinere Parteien aber darum zittern müssen, gehört die Fünf-Prozent-Hürde auf den Prüfstand. Für die Wahlen zum EU-Parlament hat das Bundesverfassungsgericht sie schon verboten. Die Begründung gilt zwar nicht für den Bundestag. Doch die von den Richtern geforderten „zwingenden“ Gründe für eine Sperrklausel –wobei die "aktuellen Verhältnisse" und "absehbar künftige Entwicklungen" zu berücksichtigen seien – sind auch im nationalen Parteiensystem nicht mehr zu erkennen. Staatspolitisch wäre eine Senkung auf drei Prozent sinnvoll, um die Häufigkeit von Schwarz-Rot zugunsten demokratischer Dreierbündnisse zu reduzieren. Kleine Koalitionen zweier Parteien sind nur noch in wenigen Ländern möglich, im Bund allenfalls Schwarz-Grün.

Dass die Weimarer Republik an der "Zersplitterung" im Reichstag  zugrunde gegangen sei, ist eine Legende. Entscheidender waren neben der Wirtschaftskrise die Kompromissunfähigkeit der Demokraten, die Dummheit der Rechtskonservativen, die erst die Demokratie madig machten und dann den Nazis in den Sattel halfen, und die breite Radikalisierung im Volk. Diese wird vom Höcke-Poggenburg-Flügel der AfD unter Duldung und Mitwirkung der Gaulands und Storchs heute wieder betrieben, unterstützt vom zynisch-brutalen Paten der europäischen Rechten in Moskau. Höchste Zeit, um mit allen verfassungsmäßigen Mitteln Dämme gegen die nationalistisch-autoritäre Flut zu errichten, statt eine Hürde zu konservieren, die liberale Demokraten auszuschließen droht.

Der Autor

Andreas Püttmann lebt als Journalist und Publizist in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Andreas Püttmann