Elende Verquickungen
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Ein Grundrecht in eine "positive" und eine "negative" Variante einzuteilen, klingt leicht missverständlich. Bei der Religionsfreiheit geht es nicht etwa darum, ob sie etwas Gutes oder etwas Schlechtes sei. Vielmehr steht dem Recht auf die freie Wahl und Ausübung einer Religion das Recht gegenüber, von Religion und vom Zugriff religiöser Autoritäten verschont zu bleiben.
Recep Tayyip Erdogan ist kein islamischer Funktionsträger, sondern nur Politiker. Doch für den Erhalt und den Ausbau seiner Macht setzt der türkische Präsident auch auf den Faktor Religion. In der Türkei gibt der Staat vor, was in den Moscheen zu predigen sei. Und dieser Staat, das ist in unschöner Anverwandlung absolutistischer Hybris: Erdogan. So bestimmt er auch in Deutschland längst über die Köpfe der Menschen, zumindest in den Hunderten Moscheegemeinden der Türkisch-Islamischen Union DITIB. Sie ist eine staatliche Akteurin im Gewand des deutschen Vereinsrechts.
Da fällt einem gleich die eine oder andere Metapher ein. Aber Vorsicht! Tierbilder nimmt der Despot am Bosporus ausgesprochen übel. Auf juristisch sicherem Terrain dürfte sich der Grünen-Religionspolitiker Volker Beck bewegen, wenn er sagt: "Die Verbände sind keine allein religiösen Verbände, sondern gewinnen ihr jeweiliges Profil aus nationalen und politischen Prägungen. Das ist unserem Religionsrecht fremd und problematisch unter dem Gesichtspunkt der Integration. Soll etwa die DITIB quasi als Unterbehörde des türkischen Religionsministeriums in Deutschland öffentliches Recht geltend machen und ausüben können? Ich denke, nein. Schließlich ist Türkischsein kein Glaubensbekenntnis."
Das ganze Elend der Verquickungen von Religion und Staat in Erdogans Reich zeigt sich an einer bemerkenswerten Schieflage. Sehr viel war zuletzt von der DITIB zu hören über den segensreichen Artikel 4 im Grundgesetz, der schlimme Dinge wie eine flächendeckende Kontrolle der Moscheegemeinden ausschließe; sehr wenig dagegen zur Verteidigung von Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland wie in der Türkei.
Für die deutsche Gesellschaft und auch für die Kirchen ist die Lage ausgesprochen lehrreich. Der Staat als Hüter der Religion kann sehr schnell zum fürsorglichen Belagerer werden, wie Heinrich Böll das in anderem Zusammenhang ausgemalt hat. Auch das macht die negative Religionsfreiheit zu einem so hohen Gut.