Maghreb-Länder gelten jetzt als sichere Herkunftstaaten

Verbände kritisieren Bundestags-Entscheidung

Veröffentlicht am 13.05.2016 um 12:13 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Berlin ‐ Wie sicher ist Nordafrika? Laut dem Bundestag sind Tunesien, Algerien und Marokko jedenfalls so sicher, dass Menschen schneller dorthin abgeschoben werden sollen. Kirchliche Verbände sehen das anders.

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Der Bundesrat wird darüber voraussichtlich in der zweiten Junihälfte entscheiden. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) verteidigte das Vorhaben. Scharfe Kritik kam von der Opposition und Verbänden. De Maiziere betonte, Deutschland werde trotz des Gesetzes seiner humanitären Verantwortung gerecht. "Zum Helfen gehört aber auch, dort 'Nein' zu sagen, wo keine humanitäre Hilfe gebraucht wird." Die Bundesregierung sei sich mit Blick auf die Rechtslage in den Ländern durchaus der kritischen Punkte bewusst. Deswegen werde künftig auch den Menschen aus diesen Ländern Schutz gewährt, wenn ihnen individuelle Verfolgung drohe.

Insgesamt sei die Anerkennungsquote aus den Maghreb-Ländern sehr niedrig. Im ersten Quartal dieses Jahres habe sie 0,7 Prozent betragen. Der SPD-Abgeordnete Sebastian Hartmann erklärte, seine Fraktion habe es sich mit der Entscheidung nicht leicht gemacht. Es sei aber eine Entscheidung auf Widerruf. Im Oktober 2017 werde sie noch einmal anhand der gemachten Erfahrungen überprüft. 

Caritas und Diakonie kritisieren Entscheidung

Die Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas sprachen sich gegen die Erweiterung aus. "Es rührt am Kern des Grundrechts auf Asyl - dem Recht auf individuelle Prüfung -, diese drei Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen und über die Asylanträge Schutzsuchender von dort künftig in einem Schnellverfahren zu entscheiden", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (Freitag).

Auch der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, lehnt die Pläne ab. "Das Konzept sicherer Herkunftsstaaten sehen wir sehr kritisch. Es birgt die Gefahr, dass das Ergebnis des individuellen Asylverfahrens vorweggenommen wird", sagte Neher dem Netzwerk. Diakonie und Caritas verwiesen auf die Schwierigkeiten bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus Nordafrika und fordern für die Betroffenen die Aufhebung des vollständigen Arbeitsverbots.

Auch die Oppositionsparteien Linke und Grüne kritisierten das Vorhaben. Es gebe in den Ländern "erhebliche Menschenrechtsverletzungen", erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke. Es werde gefoltert, Homosexuelle würden verfolgt, Frauen und Mädchen seien nur unzureichend vor sexueller Gewalt geschützt. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, wies vor allem auf die Verfolgung der Homosexuellen hin. Was dort passiere, seien keine Petitessen. "Von Homosexuellen können wir genauso wenig verlangen wie von Christen verlangen, dass sie ihre Identität verleugnen", so Beck. Wenn das Gesetz beschlossen werde, bedeute das ein "Roll back" für homosexuelle Flüchtlinge. Der Linke-Abgeordnete Andrej Hunko rief die Grünen dazu auf, im Bundesrat mit der Linken gegen das Gesetz zu stimmen. (KNA)