Läufer Dylan Cuddy über seinen "Mercy Run" durch die USA

Barmherzigkeit am Straßenrand

Veröffentlicht am 19.05.2016 um 00:01 Uhr – Von Kilian Martin – Lesedauer: 
Barmherzigkeit am Straßenrand
Bild: © Dylan Cuddy
Heiliges Jahr

Lake Charles  ‐ 4.000 Kilometer für die Barmherzigkeit: Zum Heiligen Jahr will Dylan Cuddy die USA zu Fuß durchqueren. Im Interview mit katholisch.de berichtet er von seinen Erlebnissen und den Menschen, die er trifft.

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Frage: Herr Cuddy, wie sind Sie auf die Idee für den "Mercy Run" gekommen?

Dylan Cuddy: Ich war schon immer reiselustig. In der High School habe ich erstmals darüber nachgedacht, Amerika zu Fuß zu durchqueren. Als ich dann mit dem Joggen angefangen hab, dachte ich, ich könnte ja auch laufen. Vergangenes Jahr bin ich am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit in die Kirche gegangen und habe Gott meine Bereitschaft, meine Hoffnungen und Wünsche anvertraut. Und so habe ich beschlossen, das im Namen Seiner Barmherzigkeit zu tun!

Frage: Wie haben ihre Familie und Freunde auf den Plan reagiert?

Cuddy: Am Anfang war meine Familie sehr besorgt um mich. Sie haben gedacht, ich könnte das nicht ohne ein Unterstützerteam schaffen. Es stellte sich heraus: Die Göttliche Barmherzigkeit ist mein Unterstützerteam! Meine Freunde stehen alle hinter mir. Mein Freund Dan hat mich vor meiner Abreise nach Florida sogar zu Wal-Mart mitgenommen, um einen Schlafsack und eine Zeltplane zu kaufen. Er fand die Idee für den "Mercy Run" wirklich gut.

Frage: Wie lange wollen Sie unterwegs sein? Welche Strecken legen Sie zurück?

Cuddy: Ich bin jetzt seit 82 Tagen, also fast drei Monaten, unterwegs. Ich hoffe, irgendwann im August in Los Angeles anzukommen. Im Schnitt schaffe ich etwa 25 bis 30 Kilometer am Tag, aber ich hoffe, dass ich das auf 50 Kilometer steigern kann, wenn ich erst einmal die Wüste erreiche.

Bild: ©Dylan Cuddy

"The Mercy Runner" Dylan Cuddy

Frage: Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie schon ans Aufgeben gedacht?

Cuddy: Ich habe nie daran gedacht, den Lauf abzubrechen. Ein paar Mal habe ich aber darüber nachgedacht, nach Hause zurückzukehren um bei meiner Familie zu sein. Und manchmal bleibe ich stehen und denke: Was mache ich hier eigentlich?.

Frage: Was bedeutet "Barmherzigkeit" für Sie?

Cuddy: Jesus Christus ist das Gesicht der Barmherzigkeit und in uns ist er lebendig. Barmherzigkeit ist eine intime Sprache, viel mächtiger als Worte. Wenn sie frei fließen kann, öffnen sich die Herzen und fangen an, sich zu bewegen. Das ist eine unglaubliche Erfahrung!

Frage: Wo begegnen Sie der Barmherzigkeit auf Ihrem Weg?

Cuddy: Ich erfahre die Barmherzigkeit Gottes jeden Tag. Menschen geben mir zu essen und zu trinken, Kleidung, Übernachtungsmöglichkeiten, Geld, alle möglichen Formen von Zuspruch. Ich sage den Leuten immer, dass schon ein Lächeln mich kilometerweit tragen kann und das stimmt wirklich.

Heiliges Jahr

Vom 8. Dezember 2015 bis zum 20. November 2016 findet das von Papst Franziskus ausgerufene "Heilige Jahr der Barmherzigkeit" statt. Diese Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zum Heiligen Jahr.

Frage: Was war die beeindruckendste Erfahrung, die Sie bislang gemacht haben?

Cuddy: Während der ersten Woche meiner Reise hatte ich Angst davor, Obdachlosen und Armen zu begegnen. In Jacksonville in Florida habe ich sie noch gemieden. Ein Stück weiter, in St. Augustine, wurde mir geraten, nicht zurück in die Innenstadt von Jacksonville zu gehen. Dann hat sich aber herausgestellt, dass ich dort doch noch einmal hin musste, um die Heilige Pforte in der Basilika von der Unbefleckten Empfängnis zu besuchen. Als ich dann dort war, bin ich in einen Park in der Innenstadt gegangen. Und dort habe ich die Armen, die Obdachlosen, die Drogenabhängigen, die Leidenden, die Kriminellen getroffen – Menschen, von denen ich mich nach Meinung der Gesellschaft eigentlich fern halten sollte. Aber sie waren so nett zu mir! Sie haben mich umarmt und mir eine sichere Reise gewünscht. Manche haben mir sogar Geld geschenkt. Wir haben Werke der Barmherzigkeit miteinander geteilt. Das war ein berührender Moment.

Frage: Wie viele Heilige Pforten haben Sie bereits durchschritten? Gehen Sie dann auch jedes Mal zur Heiligen Messe und empfangen das Bußsakrament?

Cuddy: In jeder größeren Stadt, die ich bisher besucht habe, bin ich auch durch eine Heilige Pforte gegangen. Ursprünglich war mein Plan, die Pforten in den 21 Kathedralen der Südstaaten zu besuchen. Mittlerweile bin ich aber an mehr Pforten vorbei gekommen, als ich geplant hatte; manchmal zufällig, manchmal auch auf einem absichtlichen Umweg. Wie viele es bisher genau waren, kann ich gar nicht sagen. Ich schätze, dass ich bis Kalifornien insgesamt um die 50 Heilige Pforten besucht haben dürfte. Wenn ich eine Kathedrale besuche, nehme ich auch immer an der Messe teil. Nach einer Gewissenserforschung gehe ich dann auch zur Beichte.

Frage: Papst Franziskus sagt, die Kirche muss an die Ränder gehen. Geht es bei Ihrem Lauf darum?

Cuddy: Der Zweck des "Mercy Run" ist nicht allein, meine Komfortzone zu verlassen, aber er bringt mich tatsächlich oft dazu. Ich komme mit vielen Menschen in Kontakt, denen ich früher aus dem Weg gegangen wäre und nehme auch Hilfe von ihnen an. Das ist wirklich eine berührende Sache. Ich plane sogar einen Besuch an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, das steht auf meinem Reiseplan!

The Mercy Runner

Auf seinem Blog erzählt Dylan Cuddy von seinen Erlebnissen: Wohin ihn sein Weg führte, welche Menschen er traf und was er gelernt hat.
Von Kilian Martin