Chef der Glaubenskongregation lobt Auftreten des Papstes

Müller: Franziskus führt Menschen zurück zur Kirche

Veröffentlicht am 24.05.2016 um 16:00 Uhr – Lesedauer: 
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Kurie

Vatikanstadt ‐ Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller lobt das Auftreten von Papst Franziskus. Sein Stil könne sogar Kirchenfeinde entwaffnen. Zugleich stellte er klar, dass der Papst nicht alles sei.

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Es sei bedrückend, dass die Zahlen der Gottesdienstteilnehmer wie insgesamt der kirchlich verbundenen Gläubigen heute vielerorts zurückgingen, so Müller. Dem allerdings einfach ein Bild der blühenden Volkskirche vergangener Jahrzehnte gegenüberzustellen, greife zu kurz. "Das Getragen-Werden vom katholischen Milieu hat einen Vorteil, aber auch den möglichen Nachteil, dass der Glaube dahindümpelt und einer Prüfung nicht standhält", erklärte der Kurienkardinal. Dank des Papstes sei aktuell zudem eine Gegenbewegung festzustellen. Durch sein Auftreten schaffe er es, distanzierte Menschen an die Kirche heranzuführen und misstrauische oder gar feindselige Haltungen abzubauen. Franziskus könne "bis zu den größten Gegnern hin entwaffnend wirken". Eine Nähe zur Kirche dürfe jedoch nicht allein am Papst festgemacht werden, sondern müsse auf Jesus Christus zielen. "Der Papst ist kein Superstar. Es ist sicher schön, ein Autogramm oder Selfie mit ihm zu bekommen. Aber der geistliche Sinn einer Rom-Reise ist zuerst das Pilgern zu den Apostelgräbern", sagte Müller.

Bei der Verkündigung des Papstes erkenne der Kardinal im Pontifikat von Franziskus "durchaus eine neue Note". Mit dem Nachsynodalen Schreiben "Amoris laetitia" spanne "der Papst einen weiten Bogen, um auch die subjektive Situation des Einzelnen voll in den Blick zu nehmen". Damit sei laut Müller jedoch kein Abrücken von der bisherigen Lehre, etwa durch eine größere Betonung der eigenen Gewissensentscheidung, verbunden. Auch das Gewissen könne nicht von den göttlichen Geboten dispensieren. Zugleich warnte Müller davor, allgemeine Lehraussagen ohne Vermittlung auf konkrete Fälle zu beziehen. "Das ist immer ein Spagat, wenn man dogmatisch, moraltheologisch und kirchenrechtlich über die Ehe als göttliche Einrichtung sprechen will und die Hörer alles nur im Echo der eigenen Situation auffassen." Von der kirchlichen Ehelehre bis zur konkreten Partnerschaft sei es noch ein Weg, auf dem auch Übersetzungsarbeit notwendig sei, so der Kardinal.

Müller warnt vor nationalen Sonderwegen

Im Bezug auf die Sakramentenpraxis dürfe es dabei keine nationalen Sonderwege geben, warnte Müller. "Wir können nicht sagen, dass das Konzil von Trient damals sieben Sakramente definiert hat, wir aber hier in Deutschland nur mit fünf Sakramenten ganz gut auskommen." So könnten nicht einzelne Bischofskonferenzen den Empfang der Eucharistie für bestimmte Gläubige erlauben, während dies andernorts verboten ist.

Papst Franziskus begrüßt Kardinäle und Bischöfe bei der Eröffnung der Familiensynode am 6. Oktober 2014 in der Synodenaula des Vatikan.
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In seiner Verkündigung, wie etwa anlässlich der Familiensynode, zeigt Papst Franziskus einen neuen Stil, der vor allem Fernstehende begeistert, lobt Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller.

Für die in "Amoris laetitia" vorgebrachte Kritik des Papstes an einem Lehramt, das Glaubenssätze wie Felsbrocken nach den Gläubigen werfe, bringt Müller Verständnis auf. Die Kirche müsse vereint sowohl gegen eine legalistische, wie auch gegen eine zu laxe Auslegung der Gebote vorgehen. "Wenn wir uns zerstreiten, mit Siegerposen auftrumpfen und bittere Vorwürfe gegeneinander richten, dann haben wir irgendetwas falsch verstanden", sagte der oberste Glaubenshüter der Kirche. Ebenso dürften nicht verschiedene Traditionen und Disziplinen der Theologie einander gegenüber gestellt werden. Es gebe eine Einheit der Theologie, die auch in der konkreten wissenschaftlichen Arbeit der Disziplinen deutlicher zutage treten müsse, so Müller.

"Es gibt aber auch eine scheinheilige Berufung auf die Vielfalt der Theologie, um sozusagen die zentrifugalen Kräfte zu favorisieren und die Universalkirche handlungsunfähig zu machen", kritisierte Müller. Dies gelte gleichermaßen für das Zusammenspiel der wissenschaftlichen Theologie und des bischöflichen Lehramts. Dieses müsse "vor einer lehramtlichen Aussage zu einer dogmatischen Entscheidung auch die theologische Sachkompetenz in Anspruch" nehmen. Daraus ließe sich jedoch keine eigene lehramtliche Kompetenz der Wissenschaft ableiten.

„Wahrheit und Liebe gegeneinander auszuspielen ist das Spiel des Diabolos.“

—  Zitat: Kardinal Gerhard Ludwig Müller über Konflikte in der Theologie

Der Kardinal wies Kritik am Prozess der Vergabe der kirchlichen Lehrerlaubnis durch seine Behörde zurück. Im April hatte eine Gruppe von Theologen, denen selbst die Erlaubnis verweigert oder entzogen worden war, in einem offenen Brief mehr Transparenz von der Glaubenskongregation gefordert. Müller entgegnete nun: "Es ist nicht überzeugend, wenn sich Betroffene zu Richtern in eigener Sache erklären. Und ganz offen gesagt: Dieser Brief war als Provokation geplant und wirkt im Ton seines aggressiven Selbstmitleides sehr anachronistisch." Müller verwies darauf, dass fast alle Verfahren zur Erteilung der Lehrerlaubnis reibungslos verlaufen würden und auch die Zahl der Verweigerungen minimal sei. Neben zahlreichen Experten hätten auch die Betroffenen selbst die Möglichkeit, sich zu Wort zu melden. "Aber das setzt natürlich voraus, dass man die Existenz eines Lehramtes anerkennt und es nicht als Machtinstanz nur einer einzigen theologischen Schule denunziert."

Müller: Wer Papst und Konzil nicht anerkennt, ist nicht katholisch

Müller äußerte sich auch zu den jüngsten Gesprächen mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. über ein Ende der Trennung von Rom. "Wenn man voll und ganz katholisch sein will, muss man den Papst und auch das Zweite Vatikanische Konzil anerkennen als das, was es war", erklärte der Kardinal. Zwar hätten nicht alle vom Konzil gefassten Beschlüsse die gleiche Verbindlichkeit, dennoch handele es sich um lehramtliche Aussagen. "Die Religionsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht und die Freiheit zur wahren Religion als Bezug auf die übernatürliche Offenbarung in Jesus Christus sind von jedem Katholiken ohne Vorbehalt anzuerkennen." Auch wenn vom Konzil keine Dogmen definiert worden seien, könne man es nicht bloß als "pastorales Gerede" abtun, so Müller. Der Papst unterscheide sich in seiner Haltung gegenüber der Piusbruderschaft auch nicht von seinem Vorgänger: "Er sieht diese und ähnliche Gruppierungen als Katholiken, aber noch auf dem Weg zur vollen katholischen Einheit." (kim)

Linktipp: Franziskus will Dialog mit Piusbrüdern fortsetzen

Der Obere der Piusbrüder, Bernard Fellay, sei ein "Mann, mit dem man reden kann", sagte der Papst der französischen Tageszeitung "La Croix". Man komme in dem Dialog "langsam und mit Geduld voran".