Der Islam gehört zu Deutschland – aber wie?
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So weit, so selbstverständlich: Christen wie Muslime verstehen sich als Anwalt für den Frieden. Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken legt eine Stellungnahme vor, die aus christlicher wie islamischer Perspektive das Verbindende, das Positive, die Friedenspotentiale der jeweiligen Religionen betont.
Gewalt wird verachtet
Der Form ist es geschuldet, dass kein kontroverses Papier entsteht. Stattdessen findet sich dort eine theologische Selbstvergewisserung der Wohlmeinenden. Statistische Erhebungen zeigen: Wohlmeinend ist die Mehrheit der Muslime wie der Christen in Deutschland, die weitaus meisten verachten Gewalt im Namen ihrer Religion und wollen friedlich zusammenleben.
Hilfreich ist der schriftnahe Ansatz, der die Quelltexte der beiden Buchreligionen in den Blick nimmt. Gewalt rechtfertigende Steinbruchexegese wird getrennt von verantwortlicher, kritischer und des jeweiligen historischen wie theologischen Kontextes gewahrer Interpretation. Besonders mit Blick auf die Stellen im Koran, die immer wieder ihres Zusammenhangs entkleidet zur pauschalen Diskreditierung "des" Islams (eine Konstruktion, die selbst wiederum nicht die zureichende plurale Wirklichkeit der Muslime beschreibt) herangezogen werden, ist das ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung der Debatte. Das koranische "Tötet sie, wo immer ihr sie antrefft" ist, das legt der Text dar, ebensowenig wie das biblische "Auge um Auge" so isoliert Programm der Religion und aller ihrer Gläubigen.
Es weitet den Blick, nicht nur die Pathologien einer Religion in den Blick zu nehmen. Zu fragen wäre allerdings, ob es angesichts der aktuellen Weltlage wirklich nötig ist, dass zuerst christlich motivierte religiöse Gewalt benannt wird (Beispiele sind etwa "christliche" Milizen in Uganda und "mordende Abtreibungsgegner"), bevor auf islamistischen Terror eingegangen wird.
Schwach ist der Aufruf da, wo er praktisch wird: Moscheegemeinden sollen unterstützt werden in ihrer Friedens- und Verständigungsarbeit. Natürlich, selbstverständlich! Auch, wenn es ein Kompromiss- und Dialog-Papier ist: Es fehlen die Aspekte, die wirklich kritisch sind in Deutschland, und die zu einfachen populistischen Antworten einladen, die nichts lösen.
Dass Gewaltaufrufe und Terrorismus verurteilt werden, ist schön und gut. Nicht aufgeworfen wird die Frage, inwiefern die Strukturen der verschiedenen islamischen Gemeinschaften selbst dazu beitragen, etwa die recht streng nach Landsmannschaften getrennten Moscheegemeinden und die unübersichtlich vielen Dachverbände, die bei weitem nicht die meisten Muslime vertreten. Nicht zur Sprache kommt die Abhängigkeit von Auslandsfinanzierung, ob durch die Türkei oder durch Saudi-Arabien.
Ebenso ausgeblendet wird die Frage, wie das deutsche Staatskirchenrecht weiterentwickelt werden kann, um eine inländisch getragene Struktur zu ermöglichen, die nicht vom Staat abhängig ist – weder vom deutschen noch von ausländischen. Bis auf einen Aufruf zum Dialog wird ausgeblendet, wie Parallelgesellschaften überwunden werden können und wie das zivilgesellschaftliche Engagement der Muslime gestärkt und in die deutschstämmige Zivilgesellschaft integriert werden kann. Erste gute Ansätze dafür gibt es; etwa, wenn die katholische Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg den Aufbau eines deutschen muslimischen Pfadfinderverbandes unterstützt. Solche Basisanstrengungen werden nicht genannt, Dialog findet im Papier eher auf Ebene der Verantwortlichen als auf Ebene der jeweiligen Gläubigen statt.
Eine Idee fehlt
Das alles ist nicht der Kern eines theologischen Dialogpapiers. Auf den ersten Blick. Aber das Papier hat auch den Anspruch, der wachsenden Islamfeindlichkeit zu begegnen. Dazu genügt es nicht, sich theologischer Grundsätze zu vergewissern. Dazu benötigt es eine Idee, wie der Islam und die deutschen Muslime wirklich zu Deutschland gehören können.