Gottes Ja zum Menschen
Ebenfalls aus alttestamentlicher Zeit stammt der "Aaronitische Segen". Gott beauftragt Aaron über dessen Bruder Mose, die Israeliten mit diesen Worten zu segnen: "Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil." (Numeri 6,24-26) So lautet auch heute noch der Abschlusssegen in evangelischen Gottesdiensten. In der katholischen Kirche ist der "Trinitarische Segen" üblich (von tri = drei, Dreifaltigkeit): "Es segne und behüte euch der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist."
Im Alten Testament waren mit dem Segen oft handfeste Wünsche und Zusagen verbunden, allen voran die Bitte an Gott, die Israeliten in das ihnen versprochene Land zu führen. Es war nicht immer leicht, darauf zu setzen. Die lange Wanderung durch die Wüste zehrte an den Kräften, ließ die Menschen zweifeln. Doch allen Strapazen und Widerständen zum Trotz hatte Gottes Segen für die Israeliten immer noch genug Strahlkraft.
Das Ringen um Gott und seine Barmherzigkeit beschreibt die biblische Erzählung vom Kampf Jakobs mit Gott. In alttestamentlicher Zeit war es Sitte, dass ein Vater kurz vor seinem Tod dem erstgeborenen Sohn den Segen spendet. Jakob gaukelt seinem fast blinden Vater Isaak vor, er sei sein älterer Bruder Esau. Er möchte sich so den väterlichen Segen erschleichen. Jakob verlässt seine Heimat und kehrt 20 Jahre später zurück. Doch er fürchtet die Vergeltung durch seinen Bruder Esau. In der Nacht kommt es am Grenzfluss zum Kampf zwischen Jakob und einem Unbekannten - Gott: ein Kampf um Leben und Tod. Jakob gibt nicht auf, hält seinen Gegner fest und sagt: "Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest" (Gen 32,27). Jakob ahnte, wer sein Gegner war. Und ihm war klar, dass er ohne Gottes Segen keine Kraft finden würde, sich der Begegnung mit seinem Bruder zu stellen und diesen um Verzeihung zu bitten.
Das Vertrauen Jakobs in das Wirken Gottes nachempfinden
Das Vertrauen Jakobs in das segensreiche Wirken Gottes können Menschen nachempfinden, die in einer schier ausweglosen Situation ebenfalls mit Gott gerungen haben - im Angesicht des Todes, in Krankheit und Not, in Sorge um geliebte Menschen. Gläubige vertrauen darauf, dass Gott alles richten wird, wenn er sie segnet. Sie bitten ihn um Schutz und Begleitung in schwierigen Lebensphasen. Die Zusage Jesu nach seiner Auferstehung an die Jünger gibt Gläubigen auch heute noch Kraft und Zuversicht: "Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." (Mt 28,20)
Das Wort "Segen" stammt vom lateinischen "signare" - bezeichnen, im Sinne von besiegeln - auch: das Zeichen des Kreuzes machen. Wenn Eltern ihre Kinder segnen, etwa beim Verlassen des Hauses oder vor einer Klassenfahrt, zeichnen sie ihnen oft ein Kreuzzeichen auf die Stirn. Sie stellen sie damit unter den Schutz Gottes. Genau das will der Segen bewirken. Auf Latein heißt segnen "benedicere", was so viel wie "gut sprechen", jemanden loben oder preisen heißt. Ein Segen erfolgt mit Worten und mit Gesten, wie etwa der Handauflegung, dem Kreuzzeichen und der Besprengung mit Weihwasser.
Beim Segnen der Autos geht es nicht um die Fahrzeuge
Beim Segnen von Autos vor Reisebeginn geht es nicht um die Fahrzeuge, sondern um die Menschen, die darin sitzen. Sie hoffen, mit Hilfe des göttlichen Segens heil wieder zu Hause anzukommen. Auch andere Gegenstände werden gesegnet, zum Beispiel Häuser vor dem Einzug. Sie sollen durchströmt sein vom Segen Gottes und Menschen, die dort ein- und ausgehen, unter göttlichen Schutz stellen. Auch Devotionalien wie Kreuze, Rosenkränze und Kerzen werden gesegnet. Immer, wenn ein Mensch sie in die Hand nimmt oder sie betrachtet, soll er Gottes Segen spüren und diesen weitergeben.
"Du sollst ein Segen sein": Diese Verfügung Gottes an Abraham gilt für alle Menschen. Segen ist demnach ins menschliche Leben eine hinein- und hinausfließende Kraft, eine zutiefst spirituelle Erfahrung. Menschen fühlen sich getragen von Gott und der Liebe derer, die ihnen den Segen zusprechen. Dies gibt Halt in schweren Zeiten.
Der Segen ist allgegenwärtig - auch in unserer Umgangssprache. Menschen wünschen einander ein gesegnetes Fest, eine gesegnete Mahlzeit, Glück und Segen für ein besonderes Ereignis. Ein altes Sprichwort sagt, dass "sich regen Segen bringt". Die bayerische Grußformel "Pfüat d" oder "Pfüat di Gott" heißt "Gott behüte dich". Im rheinischen "tschö" oder "tschüs" steckt ursprünglich "Adieu" oder "Adios" drin: Gott befohlen. Im Grunde segnen Menschen einander täglich, auch wenn sie sich dessen oft nicht bewusst sind. Segnen kann übrigens jede und jeder. Dazu hat Jesus die Menschen nicht zuletzt in der Bergpredigt aufgefordert: "Liebt eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, segnet, die euch verfluchen" (Lk 6,27-28). Die Aufgabe, einander zu segnen, ergibt sich aus der Teilhabe am Priestertum Christi.
In der Kirche spenden Bischöfe, Priester und Diakone den Segen. Laien dürfen das in bestimmten Fällen - nach Beauftragung durch den Bischof. Dazu zählen etwa die Segnung von Gegenständen, Reisesegen, das Segnen der Eheleute bei Silbernen und Goldenen Hochzeiten, die Segnung und Aussendung der Sternsinger, die Segnung der Gräber an Allerheiligen und Allerseelen. Ein berühmter Segen - Urbi et orbi - ist sogar "Chefsache". Der Papst spricht ihn jährlich an Weihnachten und Ostern und direkt nach der Papstwahl über die Stadt Rom und den ganzen Erdkreis. Ein Ereignis, das weltweit im Fernsehen ausgestrahlt wird.