Der indische Bischof Jacob Muricken über seine Organspende für einen Hindu

"Es ging um Leben und Tod"

Veröffentlicht am 05.07.2016 um 00:01 Uhr – Von Kilian Martin – Lesedauer: 
"Es ging um Leben und Tod"
Bild: © privat
Organspende

Palai ‐ Ein Bischof macht ernst mit der Barmherzigkeit: Der indische Geistliche Jacob Muricken hat einem jungen Hindu eine seiner Nieren gespendet. Im Interview spricht Muricken über seine Beweggründe.

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Frage: Herr Bischof, was hat Sie dazu gebracht, eine Ihrer Nieren zu spenden?

Muricken: Meine Entscheidung basiert im Wesentlichen auf dem Wort Gottes. Ich will dazu das Johannesevangelium zitieren, wo Jesus sagt: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben". Christus erinnert uns: "Amen, amen, ich sage euch: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr und der Abgesandte ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat." Im Geist dieses Evangeliums und entsprechend dem Aufruf von Papst Franziskus zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit habe ich meine Entscheidung getroffen.

Frage: Wie hat Ihr Umfeld auf diese Entscheidung reagiert?

Muricken: Ich habe Segenswünsche, Gebete und viel Unterstützung erfahren; von Kardinälen, Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien. Die Rückmeldungen sind insgesamt sehr positiv. Manche hatten Angst um meine eigene Gesundheit, aber insgesamt haben alle meine Entscheidung akzeptiert.

Frage: Der Empfänger Ihrer Niere war ein Hindu. Hat das Ihre Entscheidung beeinflusst oder war es vielleicht sogar ein Problem?

Muricken: Es geht darum, die wahre Bedeutung von Jesu Liebe und Barmherzigkeit zu verstehen. Als ich mich dazu entschieden habe, Organspender zu werden, war meine einzige Sorge, den richtigen Empfänger auszuwählen. Viele Menschen haben zu diesem Zeitpunkt auf eine Niere gewartet. Aufgrund der Dringlichkeit und des Alters des Mannes habe ich mich für ihn entschieden. Religion oder andere Dinge haben dabei also keine Rolle gespielt. Dieser arme junge Hindu hatte keine Alternative; es ging um Leben und Tod. Wäre seine Suche nach einem Spenderorgan nicht erfolgreich gewesen, hätte das für ihn den Tod bedeutet. Hinzu kommt, dass in gewissen Gegenden Indiens Christen auf grausame Weise von fanatischen Hindus verfolgt werden. So soll meine Spende auch ein Zeichen der Liebe gegen die Feindseligkeit sein.

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Frage: Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, Organspender zu werden? Hatten Sie diese Entscheidung schon früher getroffen?

Muricken: Bei einer Bibeltagung bei uns in Palai vor zwei Jahren habe ich einen Vortrag von Pater Davis Chiramel gehört. Er war selbst bereits Spender und hat in seiner Predigt erklärt, dass die Organspende eine Möglichkeit ist, den Kranken zu helfen. Sein Zeugnis hat mich bestärkt und ich habe mich gefragt: "Warum tue ich es Pater Davis nicht gleich?" So habe ich mich dann dazu entschieden.

Frage: Was war das Besondere an diesem Fall, das Sie dazu gebracht hat, diesen jungen Mann auszuwählen?

Muricken: Ich denke, er hat unter den Menschen auf der Warteliste am meisten gelitten. Er ist sehr arm und hat große Schulden. Außerdem ist er der einzige Verdiener in seiner Familie.

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Video: © katholisch.de

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Frage: Sie haben das Heilige Jahr und den Aufruf von Papst Franziskus zu mehr Barmherzigkeit erwähnt. Wie wichtig war das für Ihre Entscheidung?

Muricken: Mit diesem Jubiläum der Barmherzigkeit sagt der Papst uns deutlich, dass wir radikal sein müssen, um die Liebe unseres Herrn Jesus Christus durch unsere Taten in der Welt sichtbar werden zu lassen. Ich glaube, meine Spende war eine gute Antwort auf den Wunsch des Heiligen Vaters.

Frage: Wie viel muss ein Christ bereit sein zu geben, um sich selbst barmherzig nennen zu können?

Muricken: Es ist unsere Pflicht, zu handeln, wie der barmherzige Samariter in der Bibel. Barmherzigkeit ist die wahre Identität eines Christen.

Frage: Sehen Sie sich nach ihrer Spende selbst als Vorbild?

Muricken: Jesus ist mein Vorbild, und das sollte er für uns alle sein.

Zur Person

Jacob Muriken (*1963) ist seit 2012 Weihbischof im indischen Bistum Palai.
Von Kilian Martin