"Der versteht einfach mehr als die anderen"
Frage: Pfarrer Berger, wie haben Sie den 65. Jahrestag Ihrer Priesterweihe am Mittwoch begangen?
Berger: An dem Tag selbst habe ich gar nicht groß gefeiert. Ich habe in der Stadtpfarrkirche in Traunstein eine Heilige Messe zelebriert, mit Orgel und Gesang. Das Weihejubiläum hatten wir am vergangenen Sonntag größer begangen, mit Gästen und offiziellem Programm.
Frage: Sie sind vor 65 Jahren gemeinsam mit den Ratzinger-Brüdern geweiht worden. Was ist Ihnen von dem Gottesdienst noch in Erinnerung?
Berger: Ich muss zugeben, dass die Erinnerungen verblasst sind. Das ist schon so lange her. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann hat es vor allem furchtbar lang gedauert. Der Gottesdienst war über vier Stunden lang. Das ist ja auch kein Wunder, wenn 45 Leute geweiht werden. Ich weiß noch, dass mir die Knie hinterher furchtbar wehtaten. Wir haben ja während der gesamten Weihezeremonie gekniet. Aber diese Anstrengungen haben wir gern geschluckt. Ich habe mich extrem darüber gefreut, dass der Bischof mir die Hände aufgelegt und den Auftrag erteilt hat, Christus im Abendmahl sichtbar zu machen. Daran erinnere ich mich eigentlich jedes Mal, wenn ich die die Heilige Messe feiere. Die Heilige Messe ist für mich nach wie vor das Wichtigste im Leben.
Frage: Was haben Sie während des Gottesdienstes von den Ratzinger-Brüdern mitbekommen?
Berger: Während der Weihe war das gar nicht so viel. Wir waren während der Zeremonie weit auseinander, weil es nach dem Alphabet ging. Ich war ungefähr der Dritte und die Ratzinger-Brüder müssten so ungefähr die 35. bis 40. gewesen sein. Wir sind am gleichen Tag noch zu Dritt zurück nach Traunstein gefahren. Da gab es für uns einen großen Empfang am Maxplatz und einen Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche. Kurz davor haben der Ratzinger-Joseph, der Ratzinger-Georg und ich überlegt, wer was beiträgt zu dem Gottesdienst. Wir haben Joseph dazu überredet, nach dem Einzug eine Ansprache zu halten, sozusagen unsere Freude hinaus zu posaunen in die ganze Gemeinde.
Linktipp: Von Herz zu Herz
Benedikt XVI. lebt seit seinem Amtsverzicht 2013 zurückgezogen in einem Kloster. Zur Feier seines 65. Priesterjubiläums kehrte er am Dienstag kurzzeitig in den Apostolischen Palast zurück. Ein Tag, der sein Herz berührte.Frage: Worüber hat Joseph Ratzinger damals gesprochen?
Berger: Er hat über die Eucharistie gesprochen. Und interessanterweise hat er genau dieses Thema bei der Feierstunde im Vatikan in dieser Woche wieder aufgegriffen. Die Eucharistie war für ihn immer schon zentral, sein ganzes Wirken kreist darum. Es ist das Zentrum der Kirche und seines Dienstes.
Frage: Woher kannten Sie die Ratzinger-Brüder? Haben Sie schon gemeinsam die Jugend verbracht?
Berger: Nein, wir haben uns genau genommen erst im Studium in Freising kennengelernt. Es fing aber schon zuvor in den letzten Tagen in Traunstein an, als wir gemerkt haben, dass wir denselben Weg gehen und Priester werden wollen. Das war im Dezember 1945. Seit dieser Zeit ist die Freundschaft ungebrochen.
Frage: Wie haben Sie Ihre Freundschaft gelebt?
Berger: Während des Studiums hat man jedes Jahr mehrere Monate vorlesungsfreie Zeit. Da ist man dann nicht im Priesterseminar, sondern kann sich aufhalten, wo man will. Wir drei waren oft zusammen in Traunstein. Von da aus haben wir Ausflüge gemacht, Kirchen besucht, aber auch miteinander den Alltag verbracht und sehr viel debattiert. Der Joseph hat sich schon immer sehr für die Dogmatik interessiert, während der Georg ja Musiker war. Sie hatten damals ihre Spitznamen weg: Der Bücher-Ratz und der Orgel-Ratz.
Frage: War damals schon klar, dass es sich bei Joseph Ratzinger um einen Ausnahmetheologen, einen Überflieger handelte?
Berger: Er hat damals schon sehr intensiv gearbeitet, auch in den Ferien. Er hat ganze Tage am Schreibtisch zu Hause verbracht und seine Seminararbeiten geschrieben, die auf seine spätere Promotion ausgerichtet waren. Es war damals bereits klar, dass sein Ziel eine wissenschaftliche Laufbahn war. Und im Priesterseminar hat jeder im Kurs gewusst, dass der einfach mehr versteht als die anderen. Aber dass er möglicherweise einmal Papst werden könnte, haben wir damals noch nicht geahnt.
Frage: Hat sich Joseph Ratzinger seit damals stark verändert?
Berger: Nein, das würde ich nicht sagen. Seine Art zu denken war eigentlich immer die gleiche - als Kaplan in München-Bogenhausen oder als Papst in Rom: Er schießt nicht sofort los, sondern überlegt, bevor er handelt. Er schaut, was der Weg ist, den er gehen will und wenn er ein Ziel erkannt hat, dann setzt er sich 100-prozentig dafür ein. Das war schon bei seinem Studium der Fall und das ist auch in Rom der Fall gewesen.
Frage: In seinen Dankesworten beim Festakt am Dienstag im Vatikan hat der emeritierte Papst Sie wörtlich erwähnt, als er über seine Priesterweihe sprach. Haben Sie immer noch Kontakt?
Berger: Ja sicher. Mit dem Georg telefoniere ich eher, weil der nicht mehr viel sieht, er ist ja fast blind. Das Gegenteil ist beim Joseph der Fall, ihm schreibe ich Briefe. Es war für mich natürlich eine große Ehre, dass er mich erwähnt hat.