Schwester Charis Doepgen über das heutige Sonntagsevangelium

Den O-Ton Jesu übernehmen

Veröffentlicht am 24.07.2016 um 00:01 Uhr – Von Sr. Charis Doepgen OSB – Lesedauer: 4 MINUTEN
Ausgelegt!

Bonn ‐ Auf die Bitte der Jünger "Herr, lehre uns zu beten" erklärt Jesus nicht nur, was man beten soll, sondern auch wie. Schwester Charis Doepgen schreibt in "Ausgelegt!" über das heutige Sonntagsevangelium.

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Impuls von Schwester Charis Doepgen

"Herr, lehre uns beten!" So lautet die Bitte, auf die das Vaterunser folgt. Mit ihrer Bitte stehen die Jünger Jesu nicht allein: Bis heute fragen sich Menschen, denen ihr Glaube wichtig ist, wie beten geht. Als fromme Juden hatten die Jünger Gebetserfahrung. Sie beteten die Psalmen im Synagogengottesdienst, aber das genügte ihnen nicht. In der Nähe zum betenden Jesus haben sie gespürt, dass da noch mehr ist. Schon bei Johannes ist das einigen aufgegangen. In dieses "Mehr" wollen sie eingeführt werden. Jesus geht auf den Wunsch mit einem Gebet ein, das sich in Kürze und Lebensnähe wohltuend etwa von der Praxis der Pharisäer (Lk 20,47) oder dem Plappern der Heiden (Mt 6,7) unterscheidet. Beten braucht kein Wortkunstwerk. Beten ist Beziehung.

Den O-Ton Jesu hören wir gleich im ersten Wort: Vater. Diese persönliche Anrede ohne Drumherum ist familiär. Hier spricht das Kind zum Vater. Die folgenden zwei "Du-Bitten" machen sich Anliegen Gottes zu Eigen und bringen sein Konzept für das Gottesvolk auf den Punkt. Gottes Namen "Ich-bin-da" heilig zu halten heißt, die offenbarte Beziehungszusage nie zu vergessen und im Bund zu leben mit dem Gott, der jederzeit für den Menschen da ist. Wo das geschieht, wächst sein Reich. Auf dieser Basis stehen die drei folgenden Wir-Bitten, in denen menschliche Realität sichtbar wird. Wir sind Leib und haben Hunger, wir sind Sünder und brauchen Vergebung, wir sind versuchbar und brauchen Schutz. Dass wir trotz dieser defizitären Lage aufrecht vor Gott stehen, wird deutlich an der Selbstverpflichtung "auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist".

Nahtlos fügt Lukas ein Gleichnis über das Wie des Betens an. Die Quintessenz der Geschichte über den klopfenden Freund um Mitternacht ist: Das wird sich so nie ereignen, der Freund wird schon beim ersten Klopfen den Wunsch erfüllen. Genau das ist der Vergleichspunkt mit Gott. Es gehört nicht nur eine Notlage, sondern auch furchtlose Beharrlichkeit zu solchem Bitten. Jesu stärkt den Mut zum beharrlichen Bitten, wenn er gerade diese Zudringlichkeit im Gebet als Erfolgsrezept darstellt. Noch einmal setzt Jesus an und fordert  geradezu überschwänglich zum Bitten auf (da ist Lukas mit Matthäus parallel). Zuerst wird persönlich den Jüngern zugesagt: euch wird gegeben, ihr werdet finden. Aber dahinter steht ein Gesetz göttlichen Handelns, eingeleitet mit: "Denn wer bittet..." – Noch einmal ist da das Bild des Vaters, der verlässlich ist, der liebevoll ist – und dessen Gaben unsere Erwartungen übertreffen, wenn er seinen Heiligen Geist schenkt. Er ist bei jedem Gebet die Dreingabe.

Evangelium nach Lukas (Lk 11, 1-13)

Jesus betete einmal an einem Ort; und als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat.

Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen. Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung.

Dann sagte er zu ihnen: Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm geht und sagt: Freund, leih mir drei Brote; denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen, und ich habe ihm nichts anzubieten!, wird dann etwa der Mann drinnen antworten: Lass mich in Ruhe, die Tür ist schon verschlossen, und meine Kinder schlafen bei mir; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben?

Ich sage euch: Wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm seine Bitte erfüllt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht. Darum sage ich euch: Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet.

Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet. Oder ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn eine Schlange gibt, wenn er um einen Fisch bittet, oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet?

Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.

Die Autorin

Schwester Charis Doepgen OSB ist Benediktinerin in der Abtei St. Erentraud in Kellenried bei Ravensburg.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.
Von Sr. Charis Doepgen OSB