Die Entdeckung der Gelassenheit und Güte
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Impuls von Christoph Kreitmeir
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg bringt ein grundsätzliches Problem des Menschen in geniale Worte: Der Mensch denkt so – und Gott denkt ganz anders. Gott handelt aus Großzügigkeit und das kommt bei den Wenigsten gut an. Wo bleibt denn da die Gerechtigkeit, wenn der Faule den gleichen Lohn wie der bekommt, der viel mehr geleistet hat? Da stimmt doch was nicht! Das darf nicht sein, ja wo kämen wir denn da hin?
Wo wir hingekommen sind mit Arbeitseifer und Disziplin ist klar – Deutschland gehört zu einem der reichsten Länder der Welt und die Wirtschaft boomt wie selten zuvor. Das ist gut, aber es hat auch Schattenseiten. Viele Menschen wissen vor Arbeitsbelastung nicht mehr ein noch aus, Erschöpfung und Burnout greifen wie eine Epidemie nach vielen Seelen. Zufriedenheit und Gelassenheit sind innere Haltungen, die nach Zusammenbrüchen erst wieder schwer gelernt werden müssen. Hinzu kommen negative Gefühle wie Gier, Eifersucht oder Neid, wie es auch im letzteren Falle im besagten Gleichnis heißt: "Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?"
Wir müssen wieder lernen, unsere Lebensenergie richtig einzuteilen und die "Kreativität der Langsamkeit" zu lernen. Wer gewann in der alten Fabel das Wettrennen, der Hase oder der Igel? Der Igel war klüger, denn er platzierte seine ihm zum Verwechseln ähnlich aussehende Frau in der Nähe des Ziels. Es geht nicht darum, dass wir hart arbeiten. Es geht darum, dass wir klug und intelligent arbeiten. Darin liegt nicht nur die Zukunft unserer Volkswirtschaft, darin liegt das ganzheitliche Wohl jedes Einzelnen.
Nicht immer hart zu sich sein, sondern lernen, gütig zu sich zu werden, das könnte eine Lehre des heutigen Gleichnisses sein. Gütig zu sich und anderen sein, so wie Gott gütig ist in der Bewertung von Leistung und Tun. Das bringt nicht nur persönlichen Gewinn, es bringt auch neuen Wohlstand, der in Zukunft neben der Leistung mehr in Glück und Zufriedenheit gemessen werden wird als in Geld und Konsum.
Michael Ende brachte das in seinem berühmten Buch "Momo" in geniale Worte. Der Straßenkehrer Beppo kennt die Erfahrung aller Menschen: Wenn du nur die ganze Straße siehst, wenn du dich eilst, deine Arbeit zu erledigen, dann wachsen Angst, es nie zu schaffen und Erschöpfung. Er sagt dann zu Momo und zu uns: "So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut."
Das Evangelium nach Matthäus (Mt 20, 1-16a)
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben.
Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder auf den Markt und sah andere dastehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. Und sie gingen. Um die sechste Stunde und um die neunte Stunde ging der Gutsherr wieder auf den Markt und machte es ebenso.
Als er um die elfte Stunde noch einmal hinging, traf er wieder einige, dir dort herumstanden. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg!
Als es nun Abend geworden war, sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und zahl ihnen den Lohn aus, angefangen von den letzten, bis hin zu den ersten.
Da kamen die Männer, die er um die elfte Stunde angeworben hatte, und jeder erhielt einen Denar. Als dann die ersten an der Reihe waren, glaubten sie, mehr zu bekommen. Aber auch sie erhielten nur einen Denar. Da begannen sie, über den Gutsherrn zu murren, und sagten: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt; wir aber haben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen.
Da erwiderte er einem von ihnen: Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin? So werden die Letzten die Ersten sein.