Debatte um Ursachen des sexuellen Missbrauchs

Bischof Voderholzer verteidigt den Zölibat

Veröffentlicht am 01.11.2018 um 10:01 Uhr – Lesedauer: 
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer
Bild: © KNA

Regensburg ‐ Ist der Zölibat eine Ursache des Missbrauchs in der Kirche? Bischof Rudolf Voderholzer widerspricht solchen Aussagen vehement, entsprechende Vermutungen seien ein "Missbrauch des Missbrauchs". Eine klare Meinung hat der Bischof auch zum Umgang mit den Personalakten von Priestern.

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Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hat in der Diskussion um die im September veröffentlichte Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche der Ansicht widersprochen, dass der Zölibat mitursächlich für den Missbrauch durch Kleriker sei. "Ich halte das für einen Missbrauch des Missbrauchs, insbesondere für einen Missbrauch der Opfer des Missbrauchs. Wenn der Zölibat ursächlich wäre für diese Verbrechen, wie erklärt es sich dann, dass 99,9 Prozent dieser Fälle von nicht zölibatär lebenden Männern getan werden?", sagte Voderholzer am Mittwochabend in Regensburg.

Die Ehelosigkeit katholischer Geistlicher sei die Lebensform Jesu und der Apostel. Sie habe in der Kirche von Anfang an "wegen ihres Zeugnischarakters in hohem Ansehen" gestanden und sei vom Mönchtum, aber auch von Bischöfen und Priestern gelebt worden, lange bevor sie im Mittelalter verbindlich vorgeschrieben worden sei. "Zu behaupten, der Zölibat sei im Mittelalter ausschließlich aus ökonomischen Gründen eingeführt worden, entbehrt jeder historischen Vernunft", sagte Voderholzer bei einem Pontifikalamt am Hochfest des heiligen Wolfgang von Regensburg, dem Patron des bayerischen Bistums.

Themenseite: Missbrauch

2010 wurde erstmals eine größere Zahl von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche in Deutschland bekannt. Seitdem bemüht sich die Kirche um eine Aufarbeitung der Geschehnisse. Bei ihrer Vollversammlung veröffentlichen die deutschen Bischöfe am 25. September 2018 eine Studie, die die Missbrauchsfälle im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zwischen 1946 und 2014 dokumentiert.

Jeder Priesteramtskandidat wisse, so der Bischof weiter, dass die Kirche die freiwillige Annahme dieser Lebensform als Berufung zur Christusnachfolge zum Kriterium der Berufung in den geistlichen Dienst gemacht habe. Dass diese Lebensform in einer übersexualisierten Gesellschaft einen Skandal darstelle, angefochten, verlacht und bespuckt werde, sei noch lange kein Grund, von dieser biblisch begründeten Tradition abzugehen: "Vielleicht war sie noch nie so wichtig wie heute", so Voderholzer.

Notwendig sei selbstverständlich eine gute Vorbereitung der Priesteramtskandidaten und eine gute Begleitung der Priester, damit die zölibatäre Lebensform gut gelebt werden könne. "Unsere Priesterausbildung berücksichtigt sehr wohl die psychologischen und menschlichen Gesichtspunkte, die notwendig sind für eine reife Persönlichkeit. Ich lege dafür meine Hand ins Feuer", erklärte der Oberhirte, der "der überwältigenden Mehrheit der Priester" bei dem Gottesdienst sein Vertrauen aussprach.

Voderholzer begrüßte darüber hinaus jedoch auch Initiativen, die nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie nach weiteren Fällen sexueller Übergriffe suchen, um entsprechende Hinweise ahnden zu können und die Betroffenen bei der Bewältigung des erlebten Unrechts zu unterstützen. "Wir sind daher auch in Kontakt mit der Regensburger Staatsanwaltschaft und werden offene Fragen bald und umfassend klären. Wir haben hier nichts zu verbergen oder gar zu vertuschen und werden eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten", kündigte der Bischof an.

Bild: ©Fotolia.com/gregorydean

Bischof Voderholzer wandte sich gegen einen Generalverdacht gegen katholische Priester.

Zugleich wandte er sich dagegen, im Zuge weiterer Untersuchungen die Personalakten aller Priester zu veröffentlichen. Entsprechende Forderungen seien "ungeheuerlich"; Priester genössen denselben Datenschutz wie alle anderen Menschen auch. "Niemand käme doch auf die Idee, den Staat aufzufordern, alle Personalakten der Lehrer offen zu legen, weil es auch in Schulen zu Fällen sexuellen Missbrauchs kommt", sagte Voderholzer. Wenn jedoch ein begründeter Anfangsverdacht bestehe, habe die Staatsanwaltschaft das Recht auf Akteneinsicht und die Pflicht zur Aufklärung.

Einen möglichen Generalverdacht gegen alle katholischen Priester im Zuge der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals wies Voderholzer "auf das Entschiedenste" zurück. Das hätten die Priester und die katholische Kirche nicht verdient. Die Kirche sei die erste und einzige Institution der Zivilgesellschaft in Deutschland, die sich in umfassender Weise dem Problem des sexuellen Missbrauchs stelle. "Ich kann nicht dazu schweigen, dass nun der Eindruck im Raum stehen bleibt, wir seien die einzige Institution, die dieses Problem hat. Ja, wir haben gelernt, dass die Opferperspektive absoluten Vorrang hat vor jeder Rücksichtnahme auf die Institution oder die Täter. Aber sind denn die vielen Opfer in den anderen Bereichen der Gesellschaft weniger wert oder bedeutsam?", so der Regensburger Bischof. (stz)