Debatte über Neuausrichtung der deutschen Religionspolitik entbrannt
Vor dem Start der Deutschen Islamkonferenz an diesem Mittwoch in Berlin ist eine Debatte um die künftige Ausrichtung der Religionspolitik in Deutschland entbrannt. Der Göttinger Rechtswissenschaftler und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hans Michael Heinig, forderte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) ein anderes Format für religionspolitische Diskussionen in der Bundesrepublik. Die Politik müsse sich insgesamt in Religionsfragen breiter aufstellen und das Politikfeld sehr viel ernster nehmen als bislang. "Ein wichtiger Schritt wäre die Etablierung einer Ministerkonferenz für Religionsfragen analog zur Kultusministerkonferenz", so Heinig.
"Unzulängliche Abstimmung der Bundesländer"
Heinig argumentierte, die meisten religionspolitischen Fragen fielen in die Kompetenz der Bundesländer; die Abstimmung der Länder sei bislang jedoch völlig unzulänglich. "Das religiös-weltanschauliche Feld verändert sich dramatisch unter dem Eindruck von Säkularisierungs- und Pluralisierungsprozessen. Darauf muss auch die Politik reagieren", forderte er. Sie sei in einem breiten Themenspektrum gefordert, "von Islamverträgen über verschiedenste Modelle des Religionsunterrichts bis hin zur Verleihung von Körperschaftsrechten".
Ähnlich äußerte sich auch der Grünen-Politiker Volker Beck. "Religionspolitik wurde in den letzten Jahren stiefmütterlich und nachlässig von Parteien und Regierungen behandelt", sagte er am Dienstag der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Religion ist Ländersache. In einem Land ist der Kultusminister, im nächsten der Schul- oder Innenminister und im dritten die Staatskanzlei zuständig." Es brauche mehr Koordination zwischen Ländern und Bund. "Das darf man nicht der Beamtenebene überlassen. Es ist Zeit für die Einrichtung einer Religionsministerkonferenz", so Beck, der lange Jahre religionspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion war und inzwischen als Lehrbeauftragter am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum tätig ist.
Islamkonferenz geht in die vierte Runde
Beck fügte hinzu, es sei gut, "dass die neue Deutsche Islamkonferenz die Quasi-Tarifverhandlungen zwischen Staat und Islamverbänden beendet. Es muss klargemacht werden: Es gilt gleiches Recht für alle. Die aktuelle Krise ist auch eine Chance." Wo unabhängige und selbstbestimmte Religionsgemeinschaften aktiv seien, sollte man mit ihnen zusammenarbeiten.
An diesem Mittwoch will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Auftakt für die Islamkonferenz in ihrer inzwischen vierten Wahlperiode geben. Dauerthema der Konferenz seit zwölf Jahren ist die immer noch fehlende Anerkennung muslimischer Religionsgemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts. Diese Organisationsform, die die beiden großen Kirchen und der Zentralrat der Juden haben, beinhaltet Sonderrechte wie den Einzug von Steuern. Bei den Islamverbänden scheitert die Anerkennung bislang vor allem an der unklaren Mitgliederstruktur. Durch fehlende finanzielle Mittel greifen viele Moschee-Gemeinden auf Imame aus dem Ausland zurück, was bei den Verantwortlichen in der Politik auf Argwohn stößt. (stz)