Die Klosterschule der Populisten
Die Kartause Trisulti, in Eichenwäldern hoch in einer karstigen Schlucht gelegen: Das Kloster ist in den Schlagzeilen, seit der Rechtspopulist Steve Bannon, ehemaliger Chefstratege von US-Präsident Donald Trump, hier eine Kaderschmiede errichten will. Von Trisulti soll die Verteidigung der "jüdisch-christlichen Grundlagen der westlichen Zivilisation" ausgehen. Aber der Kreuzzug zur Rückeroberung des Abendlands scheint zu stocken, bevor er Fahrt aufgenommen hat.
1204 gegründet, diente Trisulti als Ort des Gebets und der Askese für Kartäusermönche. 1947 folgten Zisterzienser nach. Als der Orden sich zurückzog, schrieb das Kulturministerium, dem die Abtei untersteht, den Komplex zur Pacht aus. Den Zuschlag erhielt Anfang 2018 das "Dignitatis Humanae Institute" (DHI) mit Sitz in Rom. Schirmherr ist Bannon, den Beirat bildet eine Riege Kardinäle. Das DHI gab im Nutzungskonzept für das Kloster an, eine Bildungsstätte "für die Freien Künste, Politik und Kultur" einrichten zu wollen. Bannon selbst spricht von einer "Gladiatorenschule".
Faktisch ist die Akademie ein geistlicher Seitentrieb von Bannons Bemühungen, Europas Nationalisten und Populisten zu einer Allianz gegen Immigration und globale Wirtschaftseliten zu einen. Italien, das von der rechten Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung regiert wird, ist gleichsam der natürliche Startplatz der Unternehmung. Und Trisulti, auf halbem Weg zwischen den bedeutendsten Gründungen des Mönchsvaters Benedikt, Subiaco und Montecassino, ist ein hochsymbolischer Ort. Wer Trisulti besitzt, hat die Hand an der Wiege des christlichen Abendlands.
Ein Bilderbuchkloster von weitem: Zwischen Steineichen gebettet, blicken zur Talseite die Loggien des Wohntrakts auf drei Etagen, überragt vom Kirchturm. Aber Stürme haben die Dachziegel flächig abgedeckt, Balken und Sparren faulen, Abwasserrohre enden im Nichts. Regenwasser dringt durch Wände und Decken, die Elektrik ist marode. Ein Alptraum für Besitzer.
Für 100.000 Euro jährlich hat das DHI, geleitet von dem 43-jährigen Briten Benjamin Harnwell, das Kloster vom italienischen Staat auf 19 Jahre gepachtet. Ausgaben für Sanierung und Unterhalt können auf den Pachtzins angerechnet werden. Aber es ist die Frage, ob die veranschlagten 1,9 Millionen Euro reichen, um das romantisch-verfallene Gemäuer für einen modernen Tagungsbetrieb herzurichten. Nach einem einjährigen Vorlauf mit Kursen in Rom sollen im Sommer 2020 die Seminare in Trisulti beginnen. Bislang gibt es nicht einmal Internet.
Dorf hofft auf positiven Effekt der Kaderschmiede
Sechs Kilometer über eine kurvige Straße sind es zum nächsten Dorf, Collepardo. Dort hoffen viele auf Brosamen, die von den neuen Aktivitäten oben in der Abtei abfallen sollen. So heißt es in der kleinen "Bar del Corso", und so sagt es Vizebürgermeister Vincenzo De Parasis. Die Sanierung werde lokalen Handwerkern Aufträge verschaffen, und die Akademiegäste "müssen essen, trinken, konsumieren - sie kurbeln die Wirtschaft an".
Gerade 947 Einwohner zählt Collepardo, aber selbst von denen leben viele auswärts und kommen nur in den Ferien zurück. "Hier gibt es keinen Wohlstand", sagt De Parasis. "Junge Leute ohne Arbeit, ohne Aktivitäten - ich sehe keine Zukunft für die Jugend", meint der 69-Jährige. Die Europäische Union, das ist für ihn das Europa der Brüsseler Lobbyisten, das die Bürger hier, in Collepardo, ärmer macht. In dieser Hinsicht liegt er auf einer Linie mit Bannon.
Mit Harnwell, sagt De Parasis, gab es "von Anfang an eine gute Beziehung". In eine populistische Schublade gesteckt zu werden, dagegen verwahrt sich der Vizebürgermeister. "Solange es nicht den Rahmen des Gesetzlichen und der Verfassung verlässt", müsse man den Betrieb im Kloster hinnehmen. "Wir leben in einer Demokratie." Und: "Unser einziges Interesse ist, das Dorf vorwärts zu bringen."
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Ein erster positiver Effekt: Collepardo kassiert vom neuen Klosterbetreiber jährlich 82.000 Euro Immobiliensteuer. Im Finanzplan, den das DHI dem Kulturministerium vorlegte, wurde der Ausgabeposten offenbar vergessen. Dabei verschlingt er praktisch die Einnahmen aus Eintrittsgeldern während der Urlaubssaison. Ein Beispiel, dass die gesamte Finanzierung auf tönernen Füßen steht.
So kalkulierte das Institut für jeden Tourist, der vorbeikommt, zwölf Euro Nettogewinn aus Souvenirverkäufen, insgesamt 240.000 bis 360.000 Euro pro Jahr. Hinzu kommen 90.000 Euro an Seminargebühren, 35.000 Euro aus einer Pilgerherberge, über den Daumen eine halbe Million. Geld, um eine Klostersanierung zu bezahlen, die wiederum Voraussetzung für Einnahmen ist.
Im Dorf heißt es, es tue sich rein nichts im Kloster, seit das DHI einzog. Bislang haben zwei Frauen aus Collepardo dort eine Putzstelle gefunden. Harnwell soll Hilfsjobs angeboten haben, für 2,50 Euro die Stunde.
Nicht jeder Besucher ist willkommen
Auf dem Parkplatz vor der Abtei dösen vier Hütehunde. Zu besichtigen ist Trisulti mit Gruppenführungen durch einen lokalen Kulturverein. Anderen Besuchern verweigern zwei Mitarbeiter Harnwells Zutritt und Auskunft. Es gibt einen Kustoden, der aus Angst nicht sprechen will. Unten im Mönchstrakt lebt noch der betagte Prior Ignazio Rossi. Zu ihm wird man nicht vorgelassen. Unklar ist, ob er mit Gästen nicht reden will oder nicht reden soll.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Harnwell gab anfangs bereitwillig Interviews, führte Journalisten durch das Anwesen und warb für die Akademie. Inzwischen ist er schwer zu erreichen. Wiederholte Anfragen per E-Mail und Telefon bleiben über Wochen unbeantwortet.
Seit das Vorhaben der Bannon-Akademie publik ist, formiert sich Widerstand. Zweimal zog eine Demonstration, wenngleich mit mäßiger Beteiligung, von Collepardo zur Abtei. Aus dem Dorf selbst, betont De Parasis, hätten nur "sechs bis acht" Leute teilgenommen. Mittlerweile hat der Protest aber auch das Parlament erreicht.
Zweifel am Vergabeverfahren
Nicola Fratoianni, Chef der italienischen Linken, zweifelte etwa in einer Anfrage an das Kulturministerium die Korrektheit des Vergabeverfahrens von Trisulti an. Bewerber mussten Erfahrung im Management einer bedeutenden Kultureinrichtung nachweisen. Der Abt der Zisterzienserabtei Casamari, Eugenio Romagnuolo, attestierte Bannon zu diesem Zweck die Leitung des "Kleinen Klostermuseums von Civita". Das DHI listet Romagnuolo als Beiratsmitglied, und das Museum existiert nur auf dem Papier.
Weiter will Fratoianni von Kulturminister Alberto Bonisoli erklärt haben, zu welchen Instandhaltungsmaßnahmen sich das DHI verpflichtet hat und ob Trisulti als staatliches Kulturdenkmal überhaupt für politische Schulungen dienen kann. Latiums Regionalpräsident Nicola Zingaretti mahnte unterdessen, Trisulti als "monastischen Standort" zu erhalten.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Das zuständige Ministerium verweist spitz darauf, die ganze Sache sei vom Kulturminister der Vorgängerregierung, Zingarettis linksdemokratischem Parteifreund Dario Franceschini, eingebrockt worden. Aber der amtierende Ressortchef Alberto Bonisoli (Fünf Sterne) kündigte auch an: Sollte das DHI die Abtei anders nutzen als vereinbart, will er die Konzession zurückziehen.
Es gab andere Pläne für Trisulti. Lokale Initiatoren hatten die Idee, anknüpfend an die Kräutermedizin der Kartäuser eine Lehr- und Forschungseinrichtung anzusiedeln, in Kooperation mit der römischen Universität Tor Vergata und mit dem Unternehmer Marco Sarandrea aus Collepardo, der Klosterliköre produziert. Trisulti beherbergt eine historische Bibliothek mit rund 37.000 Werken, Sarandrea nennt sie eine der italienweit bedeutendsten heilkundlichen Sammlungen.
Unterlassene Ausschreibung
An der Ausschreibung nahmen Sarandrea und die Partner am Ende nicht teil, weil, wie der Vorsitzende des federführenden Natur- und Heimatkundevereins "Sylvatica", Riccardo Copiz, sagt, die Vorgaben zu hoch erschienen. Angesichts der Unterlagen, mit denen das DHI den Zuschlag erhielt, vielleicht ein Fehler: "Wenn wir gewusst hätten, dass das reicht, hätten wir uns auch beworben", sagt Copiz. Aber nach seiner Überzeugung bestand seitens der Politik "von vornherein der Wille, ihnen den Auftrag zu geben".
In dem Zusammenhang fällt immer wieder der Name Rocco Buttiglione. Der christdemokratische Europapolitiker, dessen Nominierung für die EU-Kommission 2004 an seinen Ansichten zu Homosexualität scheiterte, wurde 2008 der Gründungs-Schirmherr des DHI. Auch Bischof Lorenzo Loppa von Anagni, auf dessen Gebiet Trisulti liegt, nennt Buttiglione eine treibende Kraft. Anfangs stand Loppa hinter dem Institut, inzwischen nicht mehr. Er sei "getäuscht" worden von dessen vermeintlich sozialethischer Ausrichtung.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Bischof Loppa fordert, die Abtei müsse als "Ort des Gebets, der Spiritualität, der Gastfreundschaft" erhalten bleiben. Nach wie vor glaubt er, dass sich ein paar Ordensleute finden ließen, um das alte Gemäuer wieder zu beleben, vorausgesetzt, dass sie von der Sanierung und den laufenden Kosten entlastet werden. Was Bannon in Trisulti vorhat, ist für ihn ein "Modell der Abschottung" - unvereinbar mit Geschichte und Geist des Klosters.
Weitere Kirchenvertreter, die vom Institut als Unterstützer präsentiert werden, gehen vorsichtig auf Abstand. Kardinal Renato Raffaele Martino, seit 2010 Ehrenpräsident des DHI, legte zum Jahresbeginn sein Amt nieder. Nachfolger ist Kardinal Raymond Leo Burke, der mit Papst Franziskus nicht auf gutem Fuße steht. Der altgediente Vatikandiplomat Martino ermahnte Harnwell in seinem Abschiedsschreiben, Sorge zu tragen, dass das Institut auch künftig "mit kindlicher Ergebenheit die Lehren und Vorschriften des römischen Pontifex hört".
Geistliche auf Distanz
Mancher der hohen Geistlichen im DHI-Beirat trat dem Gremium einfach deshalb bei, weil Martinos Name für Seriosität bürgte. Auf die Mitgliedschaft angesprochen, distanziert sich ein Kardinal von der sich neuerdings abzeichnenden politischen Ausrichtung des Instituts, möchte aber nicht zitiert werden; ein anderer beteuert, nie an irgendwelchen Aktivitäten teilgenommen zu haben.
Dass Zisterzienserabt Romagnuolo beim DHI als Mitglied des Leitungsteams erscheint, nennt Abteisprecher Alberto Coratti einen "Irrtum". Auf die Frage, warum Romagnuolo nicht auf eine Streichung seines Namens drängt, antwortet Pater Coratti, die Mönche suchten "keinen Krieg".
Coratti ist ein sanfter, leiser Mann und möchte sich eigentlich nicht öffentlich äußern. Die Zisterzienser waren nicht immer zimperlich, ihr Gründervater Bernhard von Clairvaux gehörte zu den flammendsten Kreuzzugspredigern. Aber das sind Dinge, sagt Coratti, die man bitte doch im Kontext ihrer Zeit belassen sollte.
Um seine Meinung zu dem neuen Kreuzzug Steve Bannons und populistischen Rufen nach einer Festung Europa gefragt, verweist der Pater nur darauf, dass zu seinen Ordensbrüdern auch solche aus Eritrea und Äthiopien gehören, und, ja, natürlich hält man es in Fragen des kulturellen Dialogs und der Hilfe für Migranten mehr mit Papst Franziskus.
In Trisulti, das mit Hilfe des Abtes in die Trägerschaft des DHI überging, seien "seit einem Jahr nichts als Interviews" gegeben worden, sagt Coratti. Seinem Eindruck nach hat die Unternehmung nur den Zweck, "dass man über die, die da drin sind, spricht. Deswegen wollen wir nicht sprechen", schließt der Schweigemönch.