Himmel, Herrgott, Sakrament
Und für diesen Himmel streitet der Seelsorger und läuft den Menschen hinterher. Während die Zahl der Gottesdienstbesucher in manchen Pfarreien zunehmend zurückgeht, hat Schießler Sonntag für Sonntag ein volles Haus. Mit unkonventionellen Methoden bemüht er sich, das Wort Gottes zu verkünden, und erreicht damit die Menschen. Bei ihm gibt es einmal im Jahr einen "Viecherl-Gottesdienst", zu dem die Gläubigen Hund, Katze oder Meerschwein mitbringen dürfen. Und an Heiligabend nach der Christmette wird in der Kirche der Geburtstag des Herrn noch mit einer Sektparty gefeiert.
Schießler: Menschem fühlen sich von Kirche nicht mehr berührt
"Du musst die Leute mögen", "Liturgie darf nicht wehtun" und "Sakramente musst du spüren" lauten einige seiner Leitlinien, die sich herauskristallisiert haben. Das Bedürfnis nach Glauben sei bei den Menschen da, doch sie fühlten sich von der Kirche nicht mehr berührt, hat der 55-Jährige im Laufe der Zeit die Erfahrung gemacht. Geprägt haben ihn immer wieder markante Priesterpersönlichkeiten, die ihm den Weg wiesen. Ein richtiges Berufungserlebnis könne er zwar nicht vorweisen, sagt Schießler. Dennoch gibt es eine Episode, die nachwirkte.
Als Elfjähriger durfte er an einem Adventssonntag endlich in einem Gottesdienst in der Münchner Pfarrei Zwölf Apostel ministrieren. Sehnsüchtig hatte er seit Wochen darauf gewartet, nun war einer der Messdiener ausgefallen, und der Mesner holte ihn als Ersatz von der Kirchenbank. Schießler zog sich um, und alles klappte auch perfekt. Die Aufregung hatte sich ihm aber auf den Magen geschlagen, und bei der Wandlung passierte es dann. Der kleine Rainer verbeugte sich noch - und erbrach das ganze Frühstück auf die Altarstufen.
Völlig niedergeschmettert sei er nach Haus geschlichen, wo ihn die Mutter versorgte, und auch das Gewand reinigte, erinnert sich Schießler. Er war sich klar, dass dies die kürzeste Karriere eines Ministrantenlebens gewesen sein dürfte. Dann aber klingelte das Telefon. Pfarrer Elmar Gruber war dran und wollte wissen, wie es seinem Ministranten ging. "Er ist stolz auf dich, weil du heute der einzige in der gesamten Messe gewesen bist, der wirklich, aber auch wirklich alles gegeben hat", ließ der Priester über die Mutter ausrichten.
Nie wieder habe er später so intensiv erfahren, was "Liebe deinen Nächsten" und bedingungslose Barmherzigkeit wirklich sei, bekennt der Pfarrer heute. Niemand habe ihn danach noch einmal irgendetwas aus dem Wirken von Jesus Christus erklären müssen. "Wer das Prinzip der Nächstenliebe nicht mit jeder Faser seines Seins in sich aufgesogen hat, der soll niemals Priester werden", so Schießlers Überzeugung. Prägende Erfahrungen für die Seelsorge machte er später auch, als er Taxi fuhr, um sich damit sein Theologie-Studium zu finanzieren. Da sei er auf eine Wirklichkeit getroffen, von der im Priesterseminar nichts zu hören und zu sehen gewesen sei.
Konventionen sind seine Sache nicht
Lebendig schildert Schießler seine Lebensgeschichte. Dazu gehört das Scheitern bei den Kapuzinern ebenso wie der frühe Verlust seiner Mutter. Und dann ist da wieder der kämpferische Don Camillo, der das Glockenläuten gegenüber Kritikern verteidigt und den richtigen Ton findet für homosexuelle Katholiken oder aus der Kirche Ausgetretene. Konventionen sind seine Sache nicht. Im Mittelpunkt steht für ihn der Mensch, auch am Ende des Lebens, wenn er ihn beim Sterben begleitet: "Trost. Barmherzigkeit. Vergebung. Dazu bin ich da. Ich bin jetzt für dich da. Ich bin Priester."
Hinweis: Das Buch "Himmel, Herrgott, Sakrament" von Rainer M. Schießler ist im Kösel-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.