Jesuiten-Hochschulrektor äußert sich erstmals

Jetzt spricht Wucherpfennig: Vatikan verletzt Schwule und Lesben

Veröffentlicht am 10.10.2018 um 09:25 Uhr – Lesedauer: 

Mainz/Köln ‐ Er äußerte sich wertschätzend über Homosexuelle – und wurde vom Vatikan abgestraft: Jetzt meldet sich Jesuiten-Rektor Ansgar Wucherpfenning erstmals selbst zu Wort. Die Entscheidung aus Rom verletze nicht nur ihn, sondern zerschlage weit mehr Porzellan.

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Der wegen seiner liberalen Haltung zu Homosexualität unter Druck stehende Rektor der katholischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt, Ansgar Wucherpfennig, kann die Bedenken des Vatikan gegen die Verlängerung seiner Amtszeit nicht nachvollziehen. Die bislang nicht erteilte Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat"), die für die Amtsverlängerung nötig ist, empfinde er als verletzend gegenüber Schwulen und Lesben, sagte der Jesuit am Dienstagabend im ZDF-heute Journal. Homosexuelle Menschen fänden wegen offenerer Haltungen in der Kirche gerade wieder einen Zugang zu ihr, "der noch sehr zart ist. Und jetzt hab ich den Eindruck, da wird jetzt mit dem Hammer draufgehauen."

Wucherpfennig, der sich unter anderem in der Seelsorge für homosexuelle Menschen engagiert, sagte in der Sendung, er habe sich auf die vergleichsweise liberalen Äußerungen von Papst Franziskus zum Umgang mit Schwulen und Lesben verlassen. "Und ich kann nicht nachvollziehen, warum das jetzt ausgebremst wird, ausgerechnet von engsten Mitarbeitern des Vatikan." Wucherpfennig hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen und mit Frauen geäußert und unter anderem Segensfeiern für homosexuelle Partnerschaften befürwortet.

Jesuiten-Provinzial übt scharfe Kritik am Vatikan

Auch der Provinzial der deutschen Jesuitenprovinz, Johannes Siebner, kritisierte in der Sendung das Vorgehen des Vatikan. Er beklagte einen "verschwurbelten" und verschämten Umgang der dortigen Verantwortlichen mit dem Thema Homosexualität. Dieser sei in der Sache "obsolet". "Wir müssen endlich die Beziehungen von gleichgeschlechtlichen Menschen als das akzeptieren, was sie sind." Der Jesuiten-Provinzial hatte zuvor bereits in einem katholisch.de-Interview scharfe Kritik am Vatikan geübt.

Weitere Kritik gab es von dem Jesuiten Klaus Mertes. In einem vorab veröffentlichten Gastbeitrag in der "Zeit" (Donnerstag) kritisierte er eine "penetrante Selbstsicherheit, mit der Vatikanbeamte in seriöse theologische Lehre und Seelsorge eingreifen". Wucherpfennig als anerkannter Professor werde von den Behörden "in dürren Worten auf unterstem intellektuellen Niveau" abgefertigt, so Mertes.

Seine Aussagen will Wucherpfennig nicht widerrufen. "Ich sehe meine Äußerungen zur Homosexualität und zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare auf dem Boden der katholischen Lehre", sagte der Jesuitenpater den Kirchenzeitungen der Bistümer Limburg, Mainz und Fulda. Einen öffentlichen Widerruf lehnt er ab: "Um diesen Preis will ich nicht Rektor sein." Er werde allerdings sein Amt wieder übernehmen, sollte die vatikanische Unbedenklichkeitserklärung noch ausgesprochen werden.

Unterdessen wurde bekannt, dass der Vatikan das letzte Wort in der Causa Wucherpfennig noch nicht gesprochen hat. Das Prüfungsverfahren laufe noch, teilte die Pressestelle des Vatikans der Deutschen Presse-Agentur am späten Dienstagabend mit.

Jesuit Ansgar Wucherpfennig
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Ansgar Wucherpfennig ist Jesuit und Rektor der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen.

In dieser Woche stieß die bisher nicht erteilte Unbedenklichkeitserklärung aus Rom bereits in mehreren deutschen Bistümern auf Unverständnis. Nach dem Limburger Bischof Georg Bätzing stellten sich auch die Bistümer Osnabrück und Hildesheim vor den Theologen, wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" und die "Frankfurter Rundschau" (Mittwoch) berichten.

Der Leiter der Hildesheimer Priesterausbildung, Regens Martin Marahrens, lobte Wucherpfennigs Verdienste um eine "einzigartige Kombination von qualitativ hochwertiger akademischer Lehre und zutiefst kirchlich geprägter Spiritualität" an der Hochschule des Jesuitenordens. "Ich würde es außerordentlich bedauern, wenn er seine dritte Amtsperiode als Rektor nicht antreten kann", sagte Marahrens den Zeitungen.

Bätzing geht weiter von gütlicher Lösung aus

Auch das Bistum Osnabrück sprach Wucherpfennig das Vertrauen aus. "Es ist unseres Erachtens legitim, pastorale Fragen offen zu diskutieren. Dazu gehört auch die Frage, wie die Kirche die Beziehung zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Menschen begleitet und wie sie diesen Menschen gerecht wird", sagte Bistumssprecher Hermann Haarmann.

Zuvor hatte sich bereits der Limburger Bischof Georg Bätzing vor Wucherpfennig gestellt. Ein Bistumssprecher sagte, Bätzing habe dessen Wiederwahl als Rektor "uneingeschränkt" zugestimmt. Der Bischof habe auch in Rom deutlich gemacht, dass "Bistum und Jesuitenorden gut beraten sind, an der bewährten Hochschulleitung festzuhalten". Der Bischof gehe daher weiter von einer gütlichen Lösung aus.

Wucherpfennig war bereits im Februar für eine dritte Amtszeit als Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt wiedergewählt worden, an der die Bistümer Hamburg, Hildesheim, Limburg und Osnabrück ihre Priesteranwärter ausbilden lassen. Ohne das "Nihil obstat" der Verantwortlichen für Bildung in Rom kann er jedoch nicht im Amt bleiben. (tmg/KNA/dpa)

10.10., 12:35 Uhr: Ergänzt um die Absätze 5 und 6. 16:05 Uhr: Ergänzt um Absatz 4.