Kirchenrechtler: Vigano macht sich sogar strafbar
Der Münchner Kirchenrechtler Stephan Haering sieht in der öffentlichen Rücktrittsforderung an Papst Franziskus durch Erzbischof Carlo Maria Vigano einen "unerhörten Vorgang". "Zweifellos wird damit die gebotene Loyalität gegenüber der Person des Papstes verletzt", sagte Haering der in Würzburg erscheinenden Zeitung "Die Tagespost". Er erinnerte daran, dass in jedem Unternehmen oder jeder Behörde die Mitarbeiter verpflichtet seien, über dienstliche Angelegenheit gegenüber Außenstehenden Stillschweigen zu bewahren.
Ähnlich verhalte es sich auch in der katholischen Kirche, sagte der Kirchenrechtler. Für Mitarbeiter bischöflicher Ordinariate etwa sehe das kirchliche Gesetzbuch die Pflicht zur Wahrung des Amtsgeheimnisses vor. Der Fall von Vigano sei indes noch einmal besonders gelagert. "Hier besteht sogar noch eine spezielle Verpflichtung zur Verschwiegenheit." Denn die in seinem Papier zur Sprache gebrachten Vorgängen fielen als Angelegenheiten des vatikanischen Staatssekretariates unter das sogenannte Päpstliche Geheimnis. Insoweit mache sich der Nuntius "formal gesehen sogar strafbar".
Vigano beruft sich auf ein höheres Recht
Der Erzbischof berufe sich seinerseits gewissermaßen auf ein höheres Recht aus seinem Bischofsamt, führte Haering weiter aus. Als katholischer Bischof und Mitglied des Bischofskollegiums sehe er sich dem Gewissen verpflichtet, durch die Bekanntmachung seiner Kenntnisse endlich eine wirkliche Klärung der Verhältnisse herbeizuführen und so das Wohl der Kirche zu fördern.
Vigano, ehemaliger vatikanischer Botschafter in den USA, hatte dem Papst in einem Memorandum zur Affäre um den Alt-Erzbischof von Washington, Theodore McCarrick, Vertuschung vorgeworfen und seinen Rücktritt gefordert. McCarrick war Ende Juli von Franziskus unter dem Verdacht des Missbrauchs Minderjähriger aus dem Kardinalsstand entlassen worden.
Der frühere Leiter des obersten vatikanischen Gerichtshofs, Kardinal Raymond Burke, sieht die öffentlich geäußerte Rücktrittsforderung gegen Papst Franziskus dagegen grundsätzlich als legitim an. "Jeder kann sie gegenüber jedem Oberhirten stellen, der sich in der Ausübung seines Amtes schwerwiegend verfehlt, aber die Fakten müssen geprüft werden", so der US-Kardinal. (bod/KNA)