Krieg im Namen Gottes
Die Menschen reißen Stoffe in Stücke um daraus Kreuze herzustellen, die sie sich an ihre Kleidung heften. Dem Vorausgegangen war ein Hilferuf aus Konstantinopel: Kaiser Alexios I. bat Papst Urban II. um Krieger für einen Kampf gegen die türkischen Seldschuken. Die Muslime beherrschten bereits viele Teile Kleinasiens.
Mit seiner Unterstützung wollte der Papst weniger das Reich des byzantinischen Kaisers retten. Urban II. verfolgte andere Absichten. Er strebte die Wiedervereinigung der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche an, und das unter Vorherrschaft Roms. Dafür benötigte Papst Urban eine Streitmacht und einen lockenden Anreiz für den gefährlichen Kreuzzug nach Jerusalem. Zur Belohnung versprach er allen, "die dort hinunter ziehen", den totalen Sündenerlass.
Motive der Kreuzfahrer
Der Sündenerlass war eines der starken Motive der Kreuzfahrer. Mit der Pilgerfahrt nach Jerusalem und dem Töten von Menschen leisteten sie Buße. Eine makabere Sicht, aber für die Zeit vor der Aufklärung logisch.
Materielle Vorteile spielten weniger eine Rolle. Im Gegenteil: Die Kreuzfahrer mussten nicht selten ihr ganzes Hab und Gut verkaufen, damit sie sich dem Zug anschließen konnten. Aber es gab in hohem Maße soziale Ursachen. Der abendländische Adel sah in den Kreuzzügen eine willkommene Beschäftigung für die überzähligen Söhne. Leibeigene, Verbrecher oder Gesetzlose sahen wiederum in der "bewaffneten Pilgerfahrt" eine Fluchtmöglichkeit.
Mit der vorangegangenen Kirchenreform im 11. Jahrhundert veränderte sich auch das Bild der Krieger. Die Kirche strebte eine Stärkung des Papsttums an und wollte ihrerseits militärische Kräfte kontrollieren. Zunächst verpönt, wandelte sich das Ansehen des Militärs zu einer heroischen Schlüsselfigur. Mit der Lehre des Kirchenvaters Augustinus vom gerechten Krieg (bellum iustum) wurde der Heidenkrieg gerechtfertigt.
„Wenn ihr den Feind angreift und bekämpft, werden alle vom Heer Gottes dies eine rufen: Gott will es!“
Die Militarisierung des Christentums (militia christi) legitimierte die ritterliche Lebensform, den asketischen Mönchkrieger, der hinaus zieht zur Befreiung der heiligen Stätte Jerusalem. Nicht wie vermutet, begründete sich die Kreuzzug-Bewegung auf dem "Feindbild Muslim" auf, obwohl der Islam weit verbreitet war und Jerusalem einnahm. Vielmehr ging es den idealistischen Kreuzfahrern um die innere Umkehr und Nachfolge Christi.
Die Heilige Stadt Jerusalem
Sie lebten in der heilsgeschichtlichen Naherwartung der Wiederkehr Christi. Damit verknüpft war unweigerlich die Heilige Stadt Jerusalem – der Mittelpunkt ihres Weltbildes. "Jerusalem galt aufgrund des von Jesus vergossenen Blutes als heilig", erklärt Kirchenhistoriker Hubertus Lutterbach von der Universität Essen.
Die neueste Forschung bezeichnet die Kreuzzüge auch als "heiligen Krieg" gegen die Andersgläubigen. Nur indem das Blut der "Unreinen" vergossen wurde, konnte es Wiedergutmachung geben, erklärt Lutterbach. Mit Pilgergewand und Waffen ausgerüstet auf dem Weg ins Heilige Land, fühlten sich die Kreuzfahrer Jesus ganz nah. Trotz der ungeheuren Gefahr erwarteten die Kreuzfahrer zuversichtlich, dass sie unmittelbar ins Paradies kämen, sollten sie während des Zuges sterben.
Mit dieser Zuversicht machten sich zwei Legenden des ersten Kreuzzuges auf den Weg: Gottfried von Bouillon und sein jüngerer Bruder Balduin. Sie zogen durch Ungarn nach Konstantinopel. Missmutig und gebeutelt von den Strapazen der Reise, plünderten die Horden von Kreuzfahrern die Stadt. Aus Misstrauen gegenüber den "Franken" zwang Alexios I. Gottfried einen Treueschwur ab, bevor dieser mit seinen Truppen weiter nach Jerusalem zog.
Doch bald zeigte sich, dass dieser Eid nichts wert war. Balduin hielt die Rettung der Heiligen Stätten für nicht so wichtig. Er eroberte die Stadt Edessa und errichtete für sich selbst eine schöne kleine Grafschaft. Kaiser Alexios musste bald ernüchtert feststellen, dass der Kreuzzug keine wirkliche Hilfe für ihn war und das byzantinische Kaiserreich zu zerfallen drohte.
Eroberung Jerusalems
Gottfried von Bouillon zog indes weiter. Am 15. Juli 1099 gelang es ihm und den Kreuzfahrern nach vierwöchiger Belagerung Jerusalem zu stürmen. Dabei richteten sie unter den Muslimen ein schreckliches Blutbad an. Nicht nur Muslime vielen dem Gemetzel zum Opfer, sondern auch Christen.
Doch wer sollte die Stadt regieren? Die Wahl viel zunächst auf den mächtigsten Kreuzritter, Raimund von Toulouse. Als er ablehnte, einigten sich die Ritter auf Gottfried von Bouillon. Seinen Triumph überlebte er allerdings nur ein Jahr. Nach seinem Tod, dessen Ursache bis heute ungeklärt blieb, übernahm sein Bruder Balduin die Herrschaft.
„Die lebenden Sarazenen schleppten die Toten aus der Stadt und machten daraus häuserhohe Haufen.“
Der Anstifter des Ganzen, Urban II. bekam von all dem nichts mehr mit. Er starb zwei Wochen nach der Eroberung Jerusalems. Doch der Frieden im Heiligen Land währte nicht lange. Bald schon bekriegten sich die neu geschaffenen Grafschaften, Fürstentümer und Staaten untereinander. Ideale Voraussetzungen für die Muslime, um sich die Gebiete zurück zu erobern.
Als Reaktion propagierte Papst Eugen III. einen neuen Kreuzzug. Er wollte die verloren gegangenen Gebiete zurückgewinnen. Einer seiner glühendsten Unterstützer war Bernhard von Clairvaux. Mit Predigten feuerte er die Massen an und "rekrutierte" sie für den nächsten Kreuzzug.
Sieben große und zahlreiche kleine Kreuzzüge
Zweihundert Jahre erbitterte Kämpfe folgten, bis muslimische Heere die letzten Kreuzritter-Festungen im Heiligen Land zurückeroberten. Zwischen 1095 und dem 13. Jahrhundert fanden sieben große und unzählige kleine Kreuzzüge statt. Sie veränderten die Landkarte und leiteten den Untergang des Byzantinischen Reiches ein.
Die Kreuzfahrerideologie führte zu Pogromen gegen rheinische Juden. Ihre Gewalttaten legitimierten sie mit ihrer Ideologie. Später übertrugen die Kreuzfahrer das Feindbild auf abtrünnige Christen bis schließlich beliebig Kämpfe gegen jeden geführt werden konnten. Schlussendlich waren die Kreuzzüge gescheitert.
Von Saskia Gamradt