Mönch und Manager
Pater Justinus Pech (45) ist Mönch und Manager. Vor seinem Klostereintritt arbeitete er für einen großen Konzern und gründete später sogar sein eigenes Unternehmen. Doch er stieg aus, um Zisterzienser zu werden. Heute berät er Manager und erklärt, worauf es ankommt, wenn man ein Unternehmen leitet. Schließlich hat er sogar ein eigenes Institut für Führungsethik im Kloster gegründet. Wie es dazu kam, erzählt er im Interview.
Frage: Pater Justinus, wo erreiche ich Sie gerade?
Pater Justinus Pech: Ich bin in unserem Klosterauto unterwegs zu einem Kunden, der eine größere Menge von unserem Gin bestellt hat. Seit einem Jahr produzieren wir einen "Monastic Dry Gin – Made in Silence". Die Kunden sind von der Qualität dieses Produktes überzeugt. Da ich für die Vermarktung zuständig bin, ist mir der persönliche Kontakt zu den Abnehmern wichtig. Mit dem Getränk erschließen wir uns als Kloster einen völlig neuen Kundenstamm.
Frage: Sie sind Mönch und Unternehmer?
Pater Justinus: Ja, das ist eine Spannung, die aushaltbar ist. Bevor ich ins Kloster eingetreten bin, habe ich Betriebswirtschaft studiert und danach im Marketingbereich für einen großen Konsumgüterhersteller gearbeitet. Dort habe ich mich mit Themen wie der richtigen Produktplatzierung beschäftigt. Später habe ich dann mit einem Studienkollegen ein eigenes Unternehmen gegründet. Wir nannten uns "Management Angels". Firmen, die dringend Manager brauchten, konnten auf unseren Personalpool zurückgreifen und kurzfristig Lücken im laufenden Betrieb auf der Managementebene schließen. Wir waren sehr erfolgreich mit unserer Idee. Die Firma gibt es übrigens heute noch.
Frage: Warum haben Sie das alles aufgegeben und sind Mönch geworden?
Pater Justinus: Ich habe mir damals ernsthaft die Frage gestellt: War´s das? Was bleibt von der langen Produktpalette übrig für mein Leben? Die Aussicht, als Rentner noch über die Marktanteile meiner Firma nachzudenken, lockte mich nicht. Aber ein Leben im Kloster zu führen, begeisterte mich. Wenn man von der Ewigkeit her denkt, bekommt vieles einen ganz anderen Horizont. Als mir das klar wurde, bin ich raus aus der Firma. Sicher war damit ein Risiko verbunden, so eine sichere Top-Position aufzugeben und den Sprung in die Ungewissheit zu wagen. Aber ich habe darauf vertraut, dass es gut geht. Eine Klostergemeinschaft von beinahe 98 Mönchen, die zu unseren Klöstern gehören, ist in den Lebenswegen und Charakterstärken so unterschiedlich, dass ich wusste, dass ein Leben als Zisterzienser zu meiner Berufung werden könnte.
Frage: Sie haben im Kloster Stiepel ein Institut für Führungsethik gegründet. Der Manager in Ihnen ist nicht ganz verloren gegangen…
Pater Justinus: Das stimmt. Nach meinem Eintritt in das Kloster und dem Abschluss meiner Promotion in Wirtschaftsethik stellte mir der Abt zwei Fragen: "Welche Talente kannst du einbringen und was kannst du entwickeln?" Es lag auf der Hand, dass ich meine Erfahrungen aus der Wirtschaft nutze. Wir haben jetzt ein innovatives Klosterprodukt in Stiepel, den Gin, und das Institut gegründet. Hierfür konnte ich meine Managementkompetenz, die an der betriebswirtschaftlichen Ausbildungsstätte an der Handelshochschule Leipzig grundgelegt wurde, und meinen Unternehmergeist, der familiär bedingt ist, nutzen. Beides gehört nun mal zu meiner DNA.
Frage: Sie sind der Chef des Instituts?
Pater Justinus: Ja, als Direktor leite und führe ich das Institut. Das ist für einen Ordensmann weder untypisch noch überraschend. Die meisten Ordensgemeinschaften sind wirtschaftlich aktiv. Die Benediktinerinnen in Rüdesheim betreiben ein riesiges Weingut. Die Mönche in Münsterschwarzach haben zum Beispiel einen eigenen Buchverlag, andere Klöster sind aktiv in der Forst- und Landwirtschaft. Und so hat auch das Stift Heiligenkreuz einige unternehmerische Tätigkeitsfelder. Das sind alles mittelständische Unternehmen. Es braucht immer einen, der für den jeweiligen Aufgabenbereich die Verantwortung übernimmt.
Frage: Was bieten Sie in Ihrem Institut an?
Pater Justinus: Zu uns kommen Führungskräfte, Betriebsleiter und Manager. Wir arbeiten mit ihnen, geben Kurse zum Thema "Führen mit Werten" und setzen uns mit aktuellen ethischen Fragestellungen auseinander. Wir forschen am Institut auch zu wissenschaftlichen Führungstheorien, worüber ich auch an einer privaten Business School spreche. Wir bieten ebenso Coaching an. Die Manager lassen sich von einem Mönch schon etwas sagen, wenn sie merken, dass wir ihre Probleme verstehen. Genau das sagt ja auch Papst Franziskus immer wieder: "Nah bei den Menschen und ihren Fragen sein". Gerade für Manager wird es in Zeiten von Künstlicher Intelligenz und disruptiven Geschäftsmodellen immer wichtiger, sich mit den ethischen Fragen dieser Prozesse auseinander zu setzen. Dafür wollen wir gerne ein Gesprächspartner sein.
Frage: Der Ordensgründer Bernhard von Clairvaux hat einmal gesagt: "Stehe an der Spitze, um zu dienen, nicht um zu herrschen." Was bedeutet Ihnen dieser Satz?
Pater Justinus: Es ist genau das, was einen erfolgreichen Geschäftsführer, aber auch einen fähigen Abt oder guten Bischof ausmachen soll. Wer eine Führungsposition in der Kirche oder einem Unternehmen innehat, muss Verantwortung übernehmen können und wollen sowie ein hohes Maß an Selbstrelativierung mitbringen. Wir brauchen keine kleinen Sonnenkönige. Ein Vorgesetzter muss immer bereit sein, jederzeit wieder klein anzufangen. Ich war Unternehmer und plötzlich war ich wieder Novize. Das war anfangs hart, aber lehrreich. Wir bleiben gerade in den sich aktuell stark verändernden wirtschaftlichen Strukturen immer Lernende. Auch jeder Bischof, Politiker und Manager muss das erkennen, spätestens und hoffentlich nicht erst dann, wenn er von allen Ämtern zurücktritt. Jede Macht und die damit verbundenen Insignien sind zeitlich begrenzt. Wenn ich einmal nicht mehr ganz oben bin, sehe ich, was Menschen wirklich von mir denken. Als Führungskraft weiß ich nämlich nie, ob meine Mitarbeiter mich oder die Funktion und die damit einhergehende Macht schätzen. Wie oft trifft der Satz zu: "Wie ich sähe, so ernte ich auch." Das hatte der heilige Bernhard schon als wichiges Element einer Führungspraxis vermittelt. Und genau dieser Satz treibt mich in meiner Lehr- und Coachingtätigkeit immer wieder an.
Frage: Jesus war bestimmt eine gute Führungspersönlichkeit. Letztlich starb er am Kreuz...
Pater Justinus: Beides stimmt, auch wenn der Tod am Kreuz nur aus einer gläubigen eschatologischen Perspektive her zu erklären ist. In der Bibel findet man das ungerechte Leiden schon bei Hiob. Hier wird ein gerechter Mensch geplagt. Keiner seiner Freunde kann erklären, warum das so ist. Dieses Phänomen kennen auch Führungspersönlichkeiten leider viel zu oft. Da wird einer mit Hohn und Spott überzogen, mit maßlosen Falschmeldungen überschüttet und erst Jahre später kommt heraus, dass alles nur eine Intrige war. Aber oft ist es dann zu spät. Auf der anderen Seite gibt es auch Lebensläufe von Menschen, die zeigen, dass sie aus solchen Krisen gelernt haben und daran wachsen. Von Jesus selbst kann man viel für seinen persönlichen Führungsstil lernen.
Frage: Was denn zum Beispiel?
Pater Justinus: Wer Menschen anleitet, muss Vertrauen schenken, um Vertrauen zu gewinnen. Ich sage immer, ich muss Menschen lieben, um sie führen zu können. Die Mitarbeiter merken sehr schnell, ob sie akzeptiert sind oder nicht. Oft entscheidet dabei schon der erste Eindruck. Und genau hier setzen wir bei unseren Seminaren von Führungspersönlichkeiten an. Ich empfehle gerne: "Achten Sie bitte auf Ihre Körpersprache! Bringen Sie Ihren Mitarbeitern ausreichend Wertschätzung entgegen! Verstehen Sie, was sie tun und warum ihre Mitarbeiter so handeln. Fragen Sie sich am Ende eines Gespräches immer, ob die Redeanteile fair aufgeteilt waren und wenn nicht, dann ändern Sie das rechtzeitig." Grundlegend für eine gute Führung ist, Freude daran zu haben, mit anderen Menschen etwas gemeinsam erreichen zu wollen. Dazu gehört es auch, schwierige Gespräche zu führen. Aber vergessen Sie bitte nicht, zu loben und Anerkennung zu schenken.
Frage: Ihr Tipp für kirchliche Führungskräfte?
Pater Justinus: Jeder, der Verantwortung übernimmt, muss sich vier Fragen stellen: "Ist mein Handeln legal? Ist es kurz- und langfristig gerecht? Wie fühle ich mich damit, wenn ich in den Spiegel schaue? Kann ich über meine Entscheidungen offen mit anderen sprechen?" Um gut führen zu können, braucht es Charisma und Charakter und eine gute Portion Kommunikationstalent. Jede Führungspersönlichkeit drückt einem Unternehmen, aber auch einer Diözese oder einem Kloster, seinen ganz persönlichen Stempel auf. Wichtig ist, dass ich als Führungskraft für mein Unternehmen und meine Mitarbeiter einstehe. Besonders in Krisensituationen. In vielen Fällen ist es notwendig und hilfreich, sich einen neutralen Berater oder Coach von außen zu holen, mit dem man offen reden kann. Diese Punkte gelten für kirchliche und weltliche Führungskräfte gleichermaßen, nur dass der Maßstab, mit dem kirchliche Führungskräfte gemessen werden, höher ist und das zurecht. Denn wir stehen hier nicht für ein Unternehmen, sondern als Kirche ein. Schließlich können auch Top-Manager von der Kirche lernen, denn sie ist nicht nur Marktführerin, sondern auch das älteste "Unternehmen" in Sachen Werte. Denn letztlich stehen wir als Kirche für die Hoffnung auf ein ewiges Leben bei Gott.