Neue Zweifel am Turiner Grabtuch
Wohl kein Stück Stoff auf der Welt wurde so intensiv erforscht wie das Turiner Grabtuch. Nun haben italienische Wissenschaftler eine neuerliche Studie vorgelegt. Ihre forensische Untersuchung der Blutspuren bestätigt das von der Mehrheit der Wissenschaftler schon lange vertretene Ergebnis: Das Tuch ist eine Fälschung. Demnach passen die Spuren der Wunden an Hand und Brust der darauf erkennbaren Person nicht zur angeblichen Entstehungsgeschichte.
In ihrem Papier "A BPA Approach to the Shroud of Turin" (Eine BPA-Annäherung an das Grabtuch von Turin) befassen sich Matteo Borrini und Luigi Garlaschelli mit dem Zustandekommen der Blutflecken auf dem Tuch. BPA steht für "Blood Pattern Analysis", eine Analyse der Gestalt und Entstehung von Blutspuren. Der Bericht erschien nach einem mehrjährigen Peer-Review-Verfahren in der aktuellen Ausgabe der Fachpublikation "Journal of Forensic Sciences".
Forscher: Blutspuren folgen nicht der Schwerkraft
Für ihre Studie hatten die Forscher an menschlichen Probanden und Modellen die Flussrichtung und Musterbildung von Blut an entsprechenden Körperstellen untersucht. "Wir haben versucht, den Blutfluss und das Tropfen des Blutes aus einer Wunde nachzustellen", erklärte Borrini gegenüber der "Catholic News Agency". Dabei hätten sie "Unstimmigkeiten" festgestellt, da "einige der Flecken anscheinend nicht der Schwerkraft folgten". Zum Beispiel würden die Blutspuren am Unterarm zu einem senkrecht herabhängenden Arm einer stehenden Person passen, während die Rinnsale an der linken Hand an einem ausgestreckten Arm entstehen würden. Für Borrini, der sich selbst als gläubigen Katholiken bezeichnete, sei das Turiner Grabtuch daher nicht authentisch, was seinem Glauben jedoch keinen Abbruch tue.
Linktipp: Fünf Tücher, ein Antlitz Gottes?
Ihre Echtheit wird diskutiert - doch ihre Faszination ist unbestritten: Die Rede ist von Textilien, die das Antlitz Christi zeigen sollen. Katholisch.de stellt Turiner Grabtuch & Co. vor.Gegenüber der Video-Nachrichtenseite "Rome Reports" bezeichnete die Grabtuch-Expertin Emanuela Marinelli die forensische Studie jedoch als "nicht seriös". Die Italienerin wirft den beiden Forschern handwerkliche Fehler vor, etwa indem sie zu flüssiges Blut verwendet hätten. Auch müsse man den Zustand der Haut nach der Folter berücksichtigen. Die Studie sei daher "absolut nicht vergleichbar" mit anderen Untersuchungen des Grabtuches. Zudem hätten Borrini und Garlaschelli das Grabtuch nie aus der Nähe gesehen. Die Naturwissenschaftlerin Marinelli forscht selbst seit Jahrzehnten zu dem Turiner Tuch und gilt als Befürworterin der Echtheitstheorie.
Die katholische Kirche bezeichnet das Turiner Grabtuch selbst nicht als tatsächliche Reliquie. Das gut 4 Meter lange und etwas mehr als einen Meter breite Tuch wird seit etwa dem 13. Jahrhundert erwähnt und verehrt. Die darauf erkennbaren Abdrücke eines Mannes mit Wunden an Kopf, Händen, Brust und Füßen gelten in der frommen Überlieferung als Abbild Jesu nach dessen Kreuzigung. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen datieren das Textil jedoch auf einen deutlich späteren Entstehungszeitpunkt. Eine weithin anerkannte Radiokarbonuntersuchung verortete das Tuch in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts. Bis heute ungeklärt ist die Entstehung der detailgetreuen und perspektivisch korrekten Abbildung des Mannes. (kim)