Das sagte der Jugendbischof auf der Synode

Oster: Jugendliche verbinden Kirche mit Einschränkung ihrer Freiheit

Veröffentlicht am 11.10.2018 um 11:39 Uhr – Lesedauer: 
Der Passauer Bischof Stefan Oster im Gespräch.
Bild: © KNA

Vatikanstadt/Bonn ‐ Viele Jugendliche in Deutschland würden die Kirche als Institution sehen, die ihre Freiheit einschränkt und ihnen Verhaltensregeln auferlegt: Am Mittwoch sprach Jugendbischof Stefan Oster auf der Synode in Rom. Katholisch.de dokumentiert den Redebeitrag.

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Heiliger Vater, liebe Schwestern und Brüder,

junge Menschen suchen Freiheit, vor allem die Freiheit von Zwängen und die Freiheit wählen zu können, was ihnen Freude macht. Die Kirche dagegen verbinden viele Jugendliche in unserem Land mit einer Institution, die Freiheit einschränkt und die Verhaltensregeln hat, die beginnen mit "Du musst", "Du sollst", "Du darfst nicht". Trotzdem spüren viele Jugendliche auch, dass eine Freiheit der vielen Möglichkeiten alleine noch nicht zu einem echten und authentischen Leben führt, sondern oft in die Beliebigkeit oder in die Sklaverei der Sucht. Wann aber ist ein Mensch so authentisch, dass man spürt: Diese Person ist wirklich frei – selbst dann, wenn die Lebensbedingungen schwierig sind?

Die Nummer 121 des Instrumentum sagt uns: "Gott nimmt die Freiheit ernst, die er den Menschen geschenkt hat". Ich möchte dazu einen relationalen Begriff von Freiheit vorschlagen, der die Jugendlichen in ihrer Sehnsucht nach Freiheit ernst nimmt und sie zugleich tiefer in eine existenzielle Dimension von Freiheit führt. Eine erste Bestimmung lautet: "Freiheit ist im Herzen eines anderen ich selbst sein dürfen und ich selbst werden dürfen." Der biblische Begriff des Herzens bezeichnet die Mitte der Person. Und wir können diese Mitte auch "räumlich" denken. Wir sagen, wir haben ein weites Herz und ein tiefes Herz. Und je weiter und tiefer ein menschliches Herz ist, desto mehr kann es einem anderen Menschen in sich Raum geben – einen Raum, in dem sich der andere Mensch bejaht und geliebt fühlen und wachsen kann. Und manche haben ein solches Herz für ganz viele: Die Jugendlichen zum Beispiel, die zu Don Bosco ins Oratorium kamen, die kamen nicht einfach in eine abstrakte Institution mit Regeln, sondern sie kamen an einen Ort, der von der Weite des Herzens Don Boscos erfüllt war. Sie waren bei Don Bosco zu Hause und konnten dort sie selbst sein und lernen, mehr sie selbst zu werden. Don Bosco kannte jeden von ihnen – und hatte ihn im Herzen. Bei ihm waren sie frei. Und sie haben dann auch wie von selbst gelernt, auch seine Regeln zu respektieren und Gemeinschaft zu leben: "Freiheit ist im Herzen eines anderen ich selbst sein und ich selbst werden dürfen."

Gleichzeitig wissen wir nun, dass wir Menschen alle in der Kapazität unseres eigenen Herzens Grenzen haben. Wir sind selbst oft gebrochen, verwundet, egoistisch. Unser Herz ist oft eng mit wenig Raum für andere. Oder wir benutzen andere für uns und halten sie fest und lassen sie nicht frei – damit sich unser eigenes Herz nicht so leer anfühlt. Junge Menschen spüren das und wünschen sich auch, wie es Nummer 132 sagt, dass sich die Begleiter ihrer eigenen Fehlbarkeit bewusst sein müssen. Auch unser Herz braucht immer neu Heilung und Befreiung.

Christen dürfen aber aus der Erfahrung leben, dass die eigentliche Tiefe unserer Freiheit das Herz Jesu ist. Seine ausgestreckten Arme am Kreuz und sein für uns durchbohrtes Herz sagen uns: "Hier ist der Ort deiner Freiheit, hier ist unendliche, absichtslose Liebe für Dich, hier ist Vergebung aller Sünden. Hier ist das Herz der Welt, hier bist Du wirklich zu Hause." Wer im Glauben dorthin findet, der darf von innen her erkennen: Hier kann ich ich selbst sein – und tiefer ich selbst werden. Ohne mich verstellen zu müssen und ohne süchtig zu werden nach oberflächlichem Genuss. Tiefere, existenzielle Freiheit ist also: "Im Herzen Jesu ich selbst sein dürfen und ich selbst werden dürfen".

Wir leben deshalb Freiheit mit den Jugendlichen und für sie nur dann authentisch, wenn wir selbst im Herzen Jesu zu Hause sind. Und wenn wir selbst unser Herz von seinem Herzen heilen und weiten lassen. Dann können die Jugendlichen durch uns verstehen lernen, wo sie eigentlich zu Hause sind. Und dann auch können wir sie freilassen und freigeben – auf Jesus hin. Und dann müssen wir sie nicht benutzen oder gar missbrauchen für unseren eigenen Ruhm oder unsere eigene Befriedigung. Denn: "Wirkliche Freiheit ist, im Herzen Jesu ich selbst sein und ich selbst werden dürfen".

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Von Bischof Stefan Oster SDB