Ein Interview über Priesterseminare, Professoren und Profile

So bleibt die deutsche Hochschultheologie zukunftsfähig

Veröffentlicht am 01.02.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Hochschule

Bonn/Vallendar ‐ Keine Priesterquote bei Theologieprofessoren: Papst Franziskus will die Hochschultheologie zukunftsfähig machen. Was das für Deutschland bedeutet, erklärt der Fakultätentags-Vorsitzende Joachim Schmiedl.

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Am Montag veröffentlichte der Vatikan die Apostolische Konstitution "Veritatis gaudium" (Freude der Wahrheit). Darin umreißt Papst Franziskus seine Vision von einer Hochschultheologie der Zukunft. Kurz vor der Veröffentlichung des Dokuments waren Gerüchte aufgekommen, die Zahl der katholisch-theologischen Fakultäten in Deutschland könnte drastisch reduziert werden. Der Vorsitzende des Katholisch-Theologischen Fakultätentags, der Vallendarer Kirchenhistoriker Joachim Schmiedl, nimmt zu den Gerüchten Stellung und erläutert, wie die Zukunftsfähigkeit der deutschen Fakultäten gewährleistet werden kann.

Frage: Herr Schmiedl, die Gerüchte, dass es künftig nur noch "vier oder fünf" katholisch-theologische Fakultäten in Deutschland geben solle, wurden vom Vatikan inzwischen dementiert. Irgendwoher muss diese Zahl aber kommen. Haben Sie eine Erklärung?

Schmiedl: Wie die vatikanische Bildungskongregation sagen auch wir noch einmal in aller Deutlichkeit, dass das nicht stimmt. Es wird allerdings in letzter Zeit viel über die Anzahl der Priesterseminare spekuliert. Die leider sehr stark sinkende Anzahl der Priesteramtskandidaten führt dazu, dass eine ganze Reihe von Seminaren in Deutschland nur noch sehr dünn besetzt sind. Deshalb gibt es seit Jahren die Überlegung, sie zusammenzulegen. Und in diesem Zusammenhang ist tatsächlich schon mal die Zahl "vier oder fünf" gefallen. Da wird natürlich gleich spekuliert: Seminare und theologische Fakultäten, das gehört traditionell zusammen. Also hat man wohl die genannte Zahl einfach auf die Fakultäten übertragen. Tatsächlich muss man das aber sehr stark auseinanderhalten.

Frage: So wie es auch die neue Apostolische Konstitution "Veritatis gaudium" tut: Demnach muss es keine zwingende Verbindung zwischen theologischer Fakultät und Priesterausbildung geben. Wie stehen Sie dazu?

Schmiedl: Das begrüßen wir vonseiten des Fakultätentags ausdrücklich. Bisher ist in Deutschland vorgesehen, dass theologische Fakultäten an staatlichen Hochschulen mit einer entsprechenden institutionellen Priesterausbildung vor Ort verbunden sind. Das ist aber auf die Dauer kaum mehr praktikabel. Denn im Vergleich zur Gesamtstudierendenzahl ist die Zahl der Priesteramtskandidaten sowie die Zahl derjenigen, die ein theologisches Vollstudium absolvieren, deutlich rückläufig. Die Fakultäten haben inzwischen teilweise bis zu 80 Prozent Lehramtsstudenten. Von daher lässt es sich schon nicht rechtfertigen, warum eine theologische Fakultät nur dort bestehen sollte, wo auch ein Priesterseminar existiert.

Bild: ©Privat

Schönstattpater Joachim Schmiedl ist Professor für Mittlere und Neue Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar und Vorsitzender des Katholisch-Theologischen Fakultätentags.

Frage: Und das ist auch jetzt schon nicht überall der Fall: Denken wir zum Beispiel an Bochum, wo eine theologische "Voll-Fakultät" existiert, die Priesterausbildung aber vor ein paar Jahren nach Münster ausgelagert wurde…

Schmiedl: Das ist ein Beispiel dafür. Bochum ist eine der forschungsstärksten theologischen Fakultäten in ganz Deutschland. Und damit es so bleibt, ist es wichtig, dass Studierende dort die ganze Bandbreite der Theologie vorfinden. Zudem  ist der Standort ungemein wichtig, damit Theologie im Ruhrgebiet weiter vor Ort präsent bleibt. Bochum als Voll-Fakultät ist aus unserer Sicht also unbedingt zu halten.

Frage: Des Weiteren wird in "Veritatis gaudium" die Anzahl der Priester im Lehrkörper nicht mehr spezifiziert. Sehen Sie das als sinnvoll an?

Schmiedl: Da muss man sich die Situation genauer anschauen. Es gibt bislang – zumindest auf dem Papier – die Regelung, dass im Lehrkörper "50 Prozent plus eine Stelle" von Priestern besetzt sein müssen. De facto haben die allermeisten Fakultäten das aber schon nicht mehr. Das hängt von mehreren Faktoren ab: Ein Faktor ist sicherlich, dass die Bischöfe und die Ordensoberen nicht genügend Leute für die wissenschaftliche Laufbahn freistellen. Insofern sind hier auch die kirchlichen Oberen ein Stück weit in der Verantwortung. Andererseits hängt es mit der Struktur der Studierendenschaft zusammen: Viel mehr "Laien" als früher qualifizieren sich heute in ausgezeichneter Weise dafür, einen theologischen Lehrstuhl zu übernehmen.

Frage: Also braucht es nicht zwingend Priester an den theologischen Fakultäten?

Schmiedl: Natürlich begrüße ich es, wenn Priester an theologischen Fakultäten tätig sind. Das ist ein ganz wichtiger Dienst, den ein Priester zu leisten hat. Er gehört zu unserem Kerngeschäft, denn es geht um die Vermittlung des Glaubens in einer reflektierten Art und Weise. Daher wollen wir vom Fakultätentag selbstverständlich nicht, dass es keine Priester mehr an den Fakultäten gibt, nur die Anzahl sollte nicht von vornherein festgelegt sein. Man muss bei der Besetzung eines Lehrstuhls schauen, ob die Person qualifiziert ist und ob sie an die jeweilige Fakultät passt – unabhängig, ob es sich um einen Priester handelt oder nicht. Darin gibt uns auch die neue Konstitution Recht.

Bild: ©KNA

Papst Franziskus wünscht sich eine flächendeckende Präsenz katholischer Theologie – genau wie der Katholisch-Theologische Fakultätentag.

Frage: Was ist in Ihren Augen der wichtigste Impuls, der vom neuen Vatikan-Dokument ausgeht?

Schmiedl: Zum einen fühlen wir uns in unserem Anliegen bestärkt, katholische Theologie in Deutschland flächendeckend präsent zu halten. Das war auch bislang die Linie der vatikanischen Bildungskongregation. Entscheidend scheint mir in dem Dokument hier vor allem das Vorwort von Papst Franziskus zu sein. Da schreibt er, dass katholische Theologie einer "Kirche im Aufbruch" dienen muss, dass sie sich also gerade nicht zurückziehen darf, sondern "nach vorne" gehen muss. Das kann aber nicht geschehen, wenn Fakultäten oder theologische Institute aufgegeben werden. Und der Papst sagt auch, wie Theologie künftig aufgestellt sein muss: Sie muss auf allen Ebenen dialogisch handeln.

Frage: Was heißt das genau?

Schmiedl: Das bedeutet zunächst, dass die einzelnen theologischen Disziplinen untereinander verstärkt zusammenarbeiten müssen. Die theologischen Fakultäten müssen dann aber auch mit den anderen Fachbereichen an ihren Hochschulen kooperieren. Darüber hinaus gilt es, Netzwerke zwischen den Standorten katholischer Theologie zu bilden – nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene. Im Bereich der Lehre müssen wir künftig vor allem die ökumenische, interreligiöse, aber auch religionskritische Kompetenz der Studierenden stärken. Der Religionsunterricht wird zunehmend konfessionell-kooperativ gestaltet. Da müssen die angehenden Lehrer befähigt werden, auch mit Anders- oder Nichtglaubenden kompetent umgehen zu können. Dahingehend wird die derzeitige Studienordnung noch einmal auf den Prüfstand kommen müssen.

Frage: Inwiefern müssen die Fakultäten künftig ihr Profil weiter schärfen?

Schmiedl: Wir haben im Rahmen des Bologna-Prozesses den ehemaligen Diplom-Studiengang Katholische Theologie umgewandelt in den Studiengang Magister Theologiae. Dadurch ist es uns gelungen, in ganz Deutschland vergleichbare Studienbedingungen herzustellen, die den Wechsel von einem zum anderen Studienort ermöglichen. Das bedeutet aber nicht, dass alle Lehrstühle "gleichgeschaltet" sein dürfen – und das sind sie auch nicht. Im Sinne der Profilierung müssen die Fakultäten danach schauen, wo sie Schwerpunkte in ihrer Forschung setzen. Bei uns in Vallendar zum Beispiel haben wir eine Pflegewissenschaftliche Fakultät an unserer Hochschule und setzen deshalb im Bereich von Diakonie und Ethik einen Schwerpunkt. Andere Fakultäten und Institute haben etwas anderes: An der Universität Paderborn zum Beispiel gibt es einen stark interreligiösen Schwerpunkt. Bochum hat in Kirchlicher Zeitgeschichte einen Schwerpunkt. Es gibt also eine ganze Reihe von Fakultäten, die sich der Frage der Profilschärfung schon gestellt haben. Und das muss künftig fortgeführt werden, denn vor allem durch ein geschärftes Profil behält man seine Daseinsberechtigung.

Von Tobias Glenz