Ein besonderer Ort für die traditionalistische Gemeinschaft

Wo die Piusbrüder ihre größte Kirche bauen wollen

Veröffentlicht am 19.07.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Wo die Piusbrüder ihre größte Kirche bauen wollen
Bild: © KNA

St. Marys ‐ Seit über 40 Jahren warten die Piusbrüder von St. Marys in Kansas auf ein adäquates Gotteshaus. Nun gibt es konkrete Pläne für eine neue Kirche: Diese soll die weltweit größte der traditionalistischen Gemeinschaft werden. Damit würde ein einstiger Wunsch ihres Gründers Wirklichkeit.

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Für Maria ist das Beste gerade gut genug. Wer wüsste das besser als die Piusbrüder? Deswegen wollen sie ein Gotteshaus errichten, das der Muttergottes würdig ist – an einem ganz besonderen Ort für die traditionalistische Priestergemeinschaft. Die Rede ist von der Kleinstadt St. Marys im US-Bundesstaat Kansas.

Mitte Juni haben die ansässigen Piusbrüder und die zuständigen Architekten die Pläne für die Kirche, die den Titel "Maria Immaculata" tragen soll, vorgestellt. Sie soll im neo-romanischen Baustil errichtet werden. Auf einer Fläche von rund 2.790 Quadratmetern werden 1.500 Gläubige Platz finden. Zwei Glockentürme werden 30 Meter in die Höhe ragen. Damit wird sie das weltweit größte Gotteshaus der Priestergemeinschaft und – zumindest laut Aussage der Priestergemeinschaft – das größte "katholische" in Kansas sein. Die Muttergottes soll etwa 3,7 Meter hoch und tonnenschwer auf der Kuppel stehen und höchstpersönlich über die Stadt wachen. Auch sonst wird die Kirche über alles verfügen, was das katholische Herz begehrt: satte acht Beichtstühle und sechs Seitenkapellen. Auf dem Parkplatz rund um die Kirche können 465 Fahrzeuge abgestellt werden.

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In St. Marys, Kansas sind die Piusbrüder seit 1978 aktiv und betreiben eine Schule. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX), so ihr offizieller Name, wurde 1970 vom französischen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905 bis 1991) gegründet. Sie lehnt viele Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) ab. Streitpunkte sind vor allem Liturgie, Religionsfreiheit und Ökumene. Bekannt sind die Piusbrüder vor allem dafür, die Heilige Messe im tridentinischen Ritus zu feiern.

Anfangs kirchlich anerkannt, zeigte sich die Piusbruderschaft zunehmend antikonziliar. 1975 entzog Rom ihr die kirchenrechtliche Zulassung. Wegen unerlaubter Bischofsweihen zogen sich Lefebvre und die von ihm Geweihten 1988 die Exkommunikation zu. Die Weihen sind nach dem Kirchenrecht zwar unrechtmäßig, aber gültig. Papst Benedikt XVI. (2005 bis 2013) hob 2009 als Versöhnungsgeste die Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft auf. Auch unter Papst Franziskus führt die Kirche weiter Gespräche mit der Vereinigung – bislang ohne Durchbruch. Im Jahr 2018 hatten die Piusbrüder weltweit 637 Priester in 37 Ländern. Der deutsche Distrikt besteht derzeit aus 40 Priestern. Traditionell stark ist die Gemeinschaft in Frankreich, dem Geburtsland Marcel Lefebvres: Hier sind es 120 Priester. In den USA bekennen sich etwa 100 Priester zu den Piusbrüdern.

Das "Flaggschiff" geht unter

Dass es die Gemeinschaft ausgerechnet nach St. Marys verschlagen hat, dafür ist Marcel Lefebvre höchstpersönlich verantwortlich. Bei einer USA-Reise hatte er sich nach geeigneten Orten umgesehen, an denen sich die Gemeinschaft niederlassen könnte. Dabei kam er auch nach St. Marys, wo sich ein leerstehendes, ehemaliges Jesuitenseminar befand – samt der Kirche "Maria Immaculata". Von ihr war Lefebvre so angetan, dass er den Entschluss fasste, das Areal zu kaufen. St. Marys sollte, so der Wunsch Lefebvres, zum "Flaggschiff" der Pius-Brüder in den Vereinigten Staaten werden.

Doch kurz nachdem die Tinte unter dem Kaufvertrag getrocknet war, ging das "Flaggschiff" unter. Das Gotteshaus brannte während erster Renovierungsarbeiten nahezu vollständig ab. Schuld war ein defektes Kabel. Ein Wiederaufbau musste immer wieder verschoben werden, weil die finanziellen Zuwendungen für das Aufrechterhalten des Schulbetriebs verwendet wurden. Somit warten die Piusbrüder von St. Marys und ihre Anhänger seit 40 Jahren auf ein angemessenes Gotteshaus.

Marcel Lefebvre hält eine Rede.
Bild: ©KNA

Marcel Lefebvre hält eine Rede.

Die Messe und die anderen liturgischen Zeremonien wurden seit dem Brand in provisorischen Kapellen gefeiert. Bald diente der ehemalige Speisesaal der Jesuiten als Ort für die Heilige Messe. Dort fanden etwa 500 Menschen Platz. Größere Zeremonien wie die Mitternachtsmesse an Weihnachten, die Liturgie der Karwoche und Erstkommunionfeiern fanden im Auditorium der Schule statt. Die Gemeinde, die im Zuge der Schule entstand, wuchs über die Jahre auf bis zu 4.000 Menschen an. Manche sind extra wegen der Piusbrüder nach St. Marys gezogen. Mittlerweile reichen die Kapazitäten der Räumlichkeiten laut den Piusbrüdern von St. Marys nicht mehr aus, um alle Gemeindemitglieder bei den Messfeiern unterzubringen. Das habe einen Neubau endgültig notwendig gemacht.

Auch in Deutschland haben die Piusbrüder in den vergangenen Jahrzehnten neue Gotteshäuser gebaut – allerdings in einem deutlich kleineren Rahmen. Im Berliner Stadtteil Wilmersdorf wurde von 2002 bis 2005 die St.-Petrus-Kirche gebaut. 2013 wurde sie geweiht. Die Ausstattung wurde überwiegend aus dem Bestand ehemaliger Kirchen gekauft. In Stuttgart, wo der deutsche Distrikt der Piusbrüder seinen Sitz hat, wurde von 1990 bis 1995 die Kirche "Mariä Himmelfahrt" im barocken Stil errichtet. Insgesamt verfügen die Piusbrüder in Deutschland über 29 Kirchen. In den USA sind es über 100 Gotteshäuser.

"Wir bauen nicht nur eine Kirche"

Die neue Kirche der Piusbrüder in St. Marys soll nicht an der Stelle der alten, abgebrannten gebaut werden, sondern an einer höheren Stelle auf dem Areal – neben dem Friedhof. Sie passe schlicht und ergreifend nicht auf den Campus. Patrick Rutledge, Rektor der Schule der Piusbrüder in St. Marys, ist überzeugt: "Wir bauen nicht nur eine Kirche. Wir bauen wirklich etwas Bedeutendes." Jürgen Wegner, gebürtiger Deutscher und Distriktoberer in den USA, betont, mit der neuen "Immaculata" sei es an der Zeit, "der Kirche die Tradition zurückzugeben".

Für den Bau der neuen Kirche sind etwa 30 Millionen US-Dollar veranschlagt – die Hälfte des Betrags ist über die vergangenen Jahre bereits zusammengekommen. Bis zum 15. August sollen sich die Gemeindemitglieder, unterstützt vom persönlichen Gebet, überlegen, wieviel sie für den Neubau aufbringen können. Dann, an Mariä Himmelfahrt, sollen sie ihr Versprechen vor die Gottesmutter legen. Dieser Termin ist in weiterer Hinsicht symbolisch: Am 15. August 1979 wurde der Grundstein für den ersten Wiederaufbauversuch der "Immaculata" gestartet. So Gott und die Spender wollen, wird der Spatenstich für den Neubau am 31. Mai 2020 erfolgen – sozusagen als Startschuss für die Wiedergeburt der Kirche. Denn am diesem Tag feiert die katholische Welt Pfingstsonntag.

Von Matthias Altmann