Metropoliten sollen Untersuchungen gegen Bischöfe leiten

Vatikan will Daten zu Missbrauch weltweit veröffentlichen

Veröffentlicht am 22.02.2019 um 18:00 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt/Rom ‐ Beim zweiten Tag des Anti-Missbrauchsgipfels hat der Vatikan mehr Transparenz versprochen: Künftig soll die Zahl der wegen Missbrauch verurteilten Priester offen gelegt werden. Außerdem sollen die Erzbischöfe in Zukunft eine wichtigere Rolle bei der Missbrauchsbekämpfung bekommen.

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Erstmals ist beim Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan über konkrete rechtliche Vorschläge diskutiert worden. Der Vatikan will zudem in naher Zukunft über die Zahl aller Geistlichen informieren, die wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen kirchenrechtlich bestraft wurden. Das kündigte der Chefermittler des Papstes für Sexualstraftaten, Erzbischof Charles Scicluna, am Freitag an.

Die Römische Glaubenskongregation, bei der seit knapp 20 Jahren alle Fälle von sexuellem Missbrauch durch katholische Geistliche gerichtlich verhandelt werden, arbeite an der Erfassung und Herausgabe der entsprechenden statistischen Daten, erklärte Scicluna.

US-Kardinal Blase Cupich aus Chicago legte am Freitag einen Zwölf-Punkte-Plan vor, der bestehende kirchenrechtliche Normen ergänzen und verschärfen soll. Demnach soll eine Absetzung von Bischöfen möglich werden, die beim Umgang mit Missbrauch versagt haben.

Baldige Veröffentlichung von Ergebnissen zum Fall McCarrick

Dem Plan zufolge soll künftig der Metropolit einer Kirchenprovinz eine Schlüsselrolle bei der Ermittlung gegen einen Bischof und im Ernstfall auch bei seiner Absetzung einnehmen. Bei den Ermittlungen wegen Versagens bei Missbrauch oder Vertuschung soll er mit kompetenten Nichtklerikern zusammenarbeiten. Voraussetzung ist, dass glaubwürdige Beschuldigungen vorliegen und die Bischofskongregation im Vatikan der Ermittlung zustimmt. Missbrauchsopfer fordern seit Jahren eine Kirchenrechtsreform, die ermöglicht, einen Bischof wegen Vernachlässigung seiner Aufsichtspflichten zu entlassen.

Die US-Kardinäle Sean O'Malley und Blase Cupich rechnen mit der baldigen Veröffentlichung von vatikanischen Untersuchungsergebnissen zum Fall Theodore McCarrick (88). Der frühere Erzbischof und Kardinal war vergangene Woche als Strafe für sexuellen Missbrauch an Minderjährigen und an Seminaristen von Papst Franziskus aus dem Klerikerstand entlassen worden. Einen möglichen Zeitpunkt nannten beide nicht; es gebe aber bereits konkrete Hinweise aus der Bischofskongregation.

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Am Rande des Gipfels traf sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am Freitag mit internationalen Vertretern von Opfern. Das Gespräch in Rom mit 16 Mitgliedern des Netzwerks "Ending Clergy Abuse" (ECA) habe rund eineinhalb Stunden gedauert, teilte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, im Anschluss mit. Dabei habe sich der Vorsitzende vor allem die Erfahrungen der Betroffenen angehört; zudem habe man über das Verständnis von "Null Toleranz" gesprochen. Über die Begegnung wolle Marx am Abend auch Papst Franziskus informieren und Grüße überbringen, so Kopp.

Unterdessen warfen Missbrauchsopfer in Indien Kardinal Oswald Gracias von Bombay (Mumbai) vor, Meldungen von Missbrauchsfällen ignoriert und nichts gegen die mutmaßlichen Täter unternommen zu haben. Kardinal Gracias, einer der Organisatoren des derzeitigen Gipfels in Rom, wies die Vorwürfe im Gespräch mit der Zeitung "Mumbai Mirror" (Freitag) zurück. Diese Anschuldigungen seien "absolut unwahr", so Gracias, der auch Vorsitzender der Indischen Bischofskonferenz ist.

"Kein Bischof darf sagen: 'Dieses Problem gehe ich allein an'"

Die versammelten Bischöfe im Vatikan rief er im Kampf gegen sexuellen Missbrauch zu mehr offener Kollegialität auf. "Kein Bischof darf sagen: 'Dieses Problem gehe ich allein an'", warnte er. Bischöfe sollten Fehler offen zugeben und um Hilfe bitten, wenn sie solche brauchten, mahnte Gracias. Keiner dürfe so tun, als sei er perfekt.

Der Hinweis, jeder Bischof sei allein dem Papst Rechenschaft schuldig, habe dazu geführt, dass eine notwendige offene "brüderliche Zurechtweisung" vernachlässigt wurde, kritisierte der Kardinal aus Indien. Umgekehrt gebe es einen "römischen Zentralismus, der die Verschiedenheit der Bischöfe und die Kompetenzen der Ortskirchen nicht genügend berücksichtigt".

Es brauche eine offene und ständige Kommunikation zwischen der römischen Kurie und den Bischofskonferenzen. Um Verfahren gegen Missbrauch zu beschleunigen, sollten diese durchaus dezentralisiert werden; allerdings müsse die rechtliche Grundlage weltweit einheitlich bleiben, so Gracias. (rom/KNA)