Vor der Umweltenzyklika - Umweltschutz im Schatten des Petersdoms

Wie grün ist der Vatikan?

Veröffentlicht am 16.06.2015 um 00:01 Uhr – Von Thomas Jansen und Christoph Schmidt (KNA) – Lesedauer: 
Umweltenzyklika

Vatikanstadt ‐ Am Donnerstag veröffentlicht der Papst die erste Umweltenzyklika der Kirchengeschichte. Das Lehrschreiben richte sich an alle Menschen, sagte Franziskus am Sonntag. Doch wie ist es um den Umweltschutz vor seiner eigenen Haustüre bestellt?

  • Teilen:

Solche Superlative kursierten regelmäßig dann, wenn es um die fußballfeldgroße Solaranlage ging, die seit 2008 auf dem Dach der Audienzhalle installiert ist. Die Rechnung ging so: Die Stromleistung der Solaranlage geteilt durch die rund 800 Einwohner des Vatikan. Auch der "Osservatore Romano" rechnete 2010 genüsslich vor, dass der Vatikan je Einwohner 200 Watt Solarstrom produziere; in Deutschland, dem Vorreiter in Sachen Solarenergie, seien es hingegen nur 80 Watt.

Die Solaranlage deckt ein Fünftel des vatikanischen Strombedarfs; das entspricht etwa dem Bedarf von 100 Haushalten. Die 2.400 Photovoltaik-Module sind ein Geschenk des deutschen Herstellers Solarworld. Für das ehemalige Sendegelände von "Radio Vatikan" außerhalb Roms plante die Bonner Firma sogar die größte Solaranlage Europas. Derzeit ruht das Projekt jedoch - vorerst. Offenbar gilt der Vatikan wegen der vielen Gäste aus sonnenverwöhnten Ländern und seiner moralischen Autorität als ideale Werbeplattform für Solarzellen.

Der erste CO2-neutrale Staat der Welt?

Und noch ein Superlativ: 2007 hatte ein US-amerikanisch-ungarisches Unternehmen Papst Benedikt XVI. einen 7.000 Hektar großen Wald in Ungarn geschenkt. Damit sollte der Vatikan rechnerisch zum ersten CO2-neutralen Staat der Welt werden. Kritiker bezweifelten jedoch, dass es sich wirklich um einen Wald dieser Größe handelte.

Papst Franziskus an seinem Schreibtisch.
Bild: ©picture alliance / abaca

Papst Franziskus veröffentlicht am Donnerstag seine erstes eigenständiges Lehrschreiben und die erste Umweltenzyklika überhaupt.

Fest steht: Die ökologische Wende im Vatikan brachte der Deutsche Benedikt XVI. Als "grünen Papst" bezeichneten ihn italienische Medien bisweilen. Der frühere Theologieprofessor war es auch, der im Vatikan dafür sorgte, dass Glas, Plastik, Papier und Biomüll nicht mehr zusammen in eine Mülltonne geworfen wurden. Im umliegenden Italien galt damals Mülltrennung oft noch als Hobby für Freaks. Täglich produziert der kleinste Staat der Welt vier bis sechs Tonnen Abfall. Allein 400 Tonnen jährlich hinterlassen die Besucher auf dem Petersplatz und in den Vatikanischen Museen. Die Entsorgung erledigen mehrere externe Firmen.

Das "Jüngste Gericht" wird energiesparend beleuchtet

Im Vatikan mit seinem traditionsreichen Zeremoniell weiß man um den Wert symbolischer Gesten. Und so schloss sich der kleinste Staat der Welt unter Benedikt XVI. auch dem Internationalen Energiespartag an. Einmal im Jahr wird die Beleuchtung der Petersdom-Kuppel seither abends für eine Stunde ausgeknipst. Als Aufruf zum Energiesparen bleibt Michelangelos Werk dann ebenso dunkel wie das Empire State Building, der Eiffelturm oder die Oper von Sydney.

Ein weiteres Öko-Geschenk aus Deutschland ist seit November in der Sixtinischen Kapelle zu bestaunen: Die Fresken an den Wänden und der Decke erstrahlen im Licht von 7.000 LED-Leuchten. Das "Jüngste Gericht" energiesparend sozusagen. Nach Angaben des Herstellers verringert sich dadurch der Stromverbrauch um 90 Prozent. Und dass, obwohl die Meisterwerke von Michelangelo, Botticelli und Perugino sogar in hellerem Licht erstrahlen als zuvor. Gleichzeitig wurde die Klimaanlage der Kapelle runderneuert; sie bringt mit ebenfalls weniger Strom zwei-bis dreimal mehr Leistung.

Themenseite: Enzyklika "Laudato si"

Am 18. Juni 2015 wird die zweite Enzyklika von Papst Franziskus veröffentlicht. Sie soll den Titel "Laudato si" ("Gelobt seist du") tragen und sich als erste Enzyklika überhaupt vorrangig mit ökologischen Fragen beschäftigen.

Auch die neue Bescheidenheit unter Franziskus nutzt der Umwelt. Der Hubraum vieler Dienstfahrzeuge hat sich deutlich reduziert. Eines allerdings gibt es im Vatikan immer noch nicht: Einen eigenen Umweltbeauftragten; jemanden, der die ökologischen Maßnahmen koordiniert und weiterentwickelt. Darüber werde in den einzelnen Abteilungen der vatikanischen Staatsverwaltung von Fall zu Fall beraten, teilt das Presseamt mit.

Insgesamt würde der Vatikan - an deutschen Maßstäben gemessen - bislang wohl nicht in jeder Kategorie einen "Grünen Engel" erhalten. Doch womöglich gibt die Umweltenzyklika des Papstes auch seinem eigenen Staat einen weiteren Schub.

Von Thomas Jansen und Christoph Schmidt (KNA)