Wie Laien gegen Missmanagement helfen
Die Kirche verwaltet die Sakramente, feiert die Liturgie, sorgt sich um die Seelen. Finanzmanagement gehört nicht zu ihren Kernkompetenzen – was sich immer wieder bei Finanzskandalen zeigt. Derzeit suchen deutsche Diözesen nach einem Weg, das in Zukunft zu verhindern.
Das "Rottenburger Modell" könnte ein Weg sein, sagt Werner Krahl. Der Finanzexperte leitet den Finanzausschuss im dortigen Diözesanrat. Das Besondere: Der Rat vertritt nicht nur die Laien, sondern hat auch das Haushaltsrecht. Wir haben ihn gefragt, wie Finanzverantwortung für Laien funktioniert.
Frage: Herr Krahl, als Reaktion auf die finanziellen Probleme soll im Erzbistum Hamburg demnächst ein neuer Wirtschaftsrat entstehen. Darin sollen Laien die Bistumsleitung beim Finanzmanagement unterstützen. Kann das alleine helfen, Probleme und Skandale zu verhindern?
Krahl: Ob man dadurch irgendetwas absolut verhindern kann, weiß ich nicht. Aber zunächst einmal ist es schon wichtig, dass man eine Struktur mit klaren Aufgaben und Kompetenzen hat. So eine Organisation bedeutet auch, dass immer wieder eine Rückkopplung zwischen Verwaltung und Laiengremium stattfindet, beispielsweise bei uns zum Diözesanrat.
Frage: Was bedeutet das?
Krahl: In unserem Fall bestimmt ein gewähltes Gremium, das die ganze Diözese repräsentiert – Laien und Priester, Dekanatsvertreter, Vertreter von Orden, Verbänden, Jugend und kirchlichen Berufsgruppen – über die Kirchensteuer und den Diözesanhaushalt. Dabei sind außer Bischof und der Generalvikar ausschließlich die rund 100 gewählten Mitglieder stimmberechtigt.
Es also ist nicht so, dass wir im Rat nur alle zwei Jahre, wenn der neue Haushalt ansteht, über das Thema Finanzen sprechen. Der Leiter der Hauptabteilung Finanzen und Vermögen gibt regelmäßig einen Lagebericht. Außerdem ist es Aufgabe des Diözesanrats, die Prüfung des Haushalts in Auftrag zu geben und sich ohne Beschränkung mit dem Prüfungsergebnis zu beschäftigen. Der Finanzausschuss beobachtet und berät die Entwicklung der Finanzthemen kontinuierlich und bereitet mit der Verwaltung die Haushaltssitzung vor.
Frage: Sind Sie mit dieser Organisation vor Missmanagement gefeit?
Krahl: Zumindest gibt es erhebliche Hürden. Aus meiner beruflichen Erfahrung kann ich aber auch sagen: Wenn irgendwo kriminelle Energie vorhanden ist, ist es schwer, sie zu verhindern. Aber so, wie wir strukturell und organisatorisch aufgestellt sind, auch wie die Fachkompetenz im Ordinariat und im Diözesanrat ausgeprägt ist, bin ich ruhig und zuversichtlich, dass wir seit bald 50 Jahren einen guten Weg haben.
Frage: Das "Rottenburger Modell" blickt auf eine Geschichte von 50 Jahren zurück. Damit hat es sich lange entwickelt und eingespielt. Kann die Art, wie Sie die Finanzen organisieren, trotzdem ein Vorbild sein für andere Diözesen?
Krahl: Davon bin ich total überzeugt. Das gilt nicht nur, was die Beteiligung gewählter Laien angeht, sondern auch für unsere Grundprinzipien. Es gilt zum Beispiel, dass die Finanzen immer den Inhalten folgen müssen. Deshalb berät bei uns das gleiche Gremium über pastorale und finanzielle Fragen. Unser Diözesanrat ist Pastoralrat, Katholikenvertretung und Kirchensteuervertretung in einem. Außerdem setzen wir schon lange auf maximale Öffentlichkeit. Wie alle Sitzungen des Diözesanrats ist auch die Haushaltsdebatte öffentlich. Der Haushaltsplan, die Vermögensbilanz und viele andere Finanzinformationen sind öffentlich zugänglich. Über die Jahre bin ich außerdem immer wieder mit dem Leiter der Vermögensverwaltung oder dem Generalvikar in der Diözese unterwegs gewesen und habe dabei viel Vertrauen erfahren.
Frage: Was tragen Sie speziell als Laien zu dieser Transparenz bei?
Krahl: Zunächst einmal, dass wir gewählte Vertreter sind und nicht vom Bischof berufen. Letzteres möchte ich nicht als per se schlecht darstellen. Aber die Wahl hilft der Unabhängigkeit. Dann werden durch die Laien auch unterschiedliche berufliche Positionen eingebracht, wodurch wir eine sehr breite Fachkompetenz haben. Damit diskutieren wir mit den Experten des Ordinariats auf Augenhöhe.
Frage: Sie sprechen die Fachkompetenzen der Laien an. Nun ist es in der Kirche aber noch immer so, dass auch viele fachlich anspruchsvolle Stellen häufig mit Klerikern besetzt sind. Können Kleriker gute Finanzmanager sein?
Krahl: Ein Kleriker ist nicht automatisch ein guter Manager, aber ein Laie muss auch nicht, nur weil er Laie ist, fachlich kompetent sein. Ich kann aus meiner Diözese sagen, dass sowohl der Leiter der Finanzabteilung – ein Laie und Bankkaufmann – als auch der Generalvikar – natürlich ein Kleriker – eine sehr hohe Managementkompetenz haben. Uns in den Räten und Gremien gefällt außerdem besonders, dass der Generalvikar sehr deutlich zeigt, dass er sich gerne beraten lässt. So kommen die einzelnen Mosaiksteine zusammen: Wenn man strukturell, organisatorisch, in der personellen Besetzung und in der Beratung gut aufgestellt ist, kann Missmanagement verhindert werden.
Themenseite: Debatte um Kirchenfinanzen
Spätestens seit dem Skandal um den Bau am Limburger Domberg sind Kirchenfinanzen ein häufiges Thema. Mit einer Transparenzoffensive haben die Bistümer auf die Kritik reagiert. Lesen Sie hier die wichtigsten Informationen zur Debatte.Frage: Das klingt, als würde gutes Management in der Kirche aber letztlich davon abhängen, ob die Schlüsselpersonen mitspielen.
Krahl: Die Schlüsselpersonen in den Gremien, ja. Aber es braucht zunächst die Strukturen. Ich gehe natürlich von unserem Modell aus, das stark auf Partizipation ausgerichtet ist.
Frage: Das würde also auch funktionieren mit einem Generalvikar, der vielleicht seine Kompetenzen eher im pastoralen Bereich hat?
Krahl: Davon gehe ich aus – wenn er einen Beratungsstab hat, sich beraten lässt und wenn die Struktur stimmt. Man muss natürlich dazu wissen, dass der Diözesanrat in Rottenburg-Stuttgart auch den Priesterrat und die Vertreter der Berufsgruppen umfasst. Damit sind wir auf der einen Seite zwar Kirchensteuervertretung und haben das Haushaltsrecht, auf der anderen Seite sind wir aber auch Pastoralrat und Katholikenvertretung. Und so suchen wir ohnehin immerzu eine Verbindung zwischen der inhaltlichen Arbeit und den Finanzen.
Frage: Wie ist es überhaupt möglich, eine umfassende Transparenz bei einem so komplexen Thema wie dem der Finanzen herzustellen?
Krahl: Man muss in einer Vertrauenskultur zusammenarbeiten. Dazu gehört, davon auszugehen, dass die Menschen, die an den Schlüsselstellen sitzen, einen guten Job machen. Und gegenüber der Öffentlichkeit geht es natürlich darum, immer wieder zu berichten; über den Haushalt, über die Finanzsituation, über die Herausforderung der Zukunft. Wir bieten zum Beispiel immer eine Pressekonferenz zum Jahresabschluss an. Wenn es um Geld und Finanzen geht, muss man immer sagen, wo man steht, warum die Situation so ist und welche Perspektive man hat.
Frage: Aber interessiert das die Gläubigen? Selbst die Haushaltsdebatte im Bundestag dürften die wenigsten Deutschen verfolgen. Kommen tatsächlich Menschen zu den Haushaltsberatungen in den Diözesanrat?
Krahl: Die Gäste sind in der Tat überschaubar. Es geht aber ums Prinzip. Es wäre möglich, ins Plenum zu kommen. Zum anderen versuchen wir natürlich, die großen, komplexen Dinge auch medial herunterzubrechen. Das machen wir beispielsweise in Form von Flyern oder Kurzvorträgen zu den wichtigsten Sachverhalten, die die Vertreter mit in die Dekanate und Gemeinden nehmen können. Sowohl der Leiter der Hauptabteilung Finanzen, wie auch der Generalvikar – zum Teil auch ich – nehmen außerdem Einladungen an, Rede und Antwort zu stehen. Das trägt zur Glaubwürdigkeit bei.
Frage: Die meisten deutschen Bistümer haben mittlerweile Bilanzen nach handelsrechtlichen Standards vorgelegt. Aber einige fehlen noch, obwohl seit Jahren eine groß angelegte "Tranzparenzoffensive" läuft. Habe Sie das Gefühl, dass die Kirche auf einem guten Weg ist?
Krahl: Das denke ich schon. Ich glaube, dass alle Diözesen in Deutschland gelernt und verinnerlicht haben, dass es ohne Glaubwürdigkeit und verlässliche Informationen nicht geht. Und man hat zumindest begonnen, diesen Weg gut zu gehen.