Schmutziger Kampf um die EU-Urheberrechtsreform
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Im Europaparlament wird gerade eine Reform der Urheberrechtsrichtlinie diskutiert. Am Prozess wie am Inhalt zeigt sich deutlich, woran es in Europa – das nach Papst Franziskus doch eigentlich gerade als "Raum des Dialogs" stark ist – besonders mangelt.
Das beginnt schon auf der inhaltlichen Ebene: Besonders problematisch sind die Artikel 11 und 13 des Vorschlags. Beides sind Maßnahmen, die der europäischen Öffentlichkeit massiven Schaden zufügen werden: Wer mehr als "einzelne Worte oder sehr kurze Textausschnitte" verwendet, soll dafür eine Lizenz benötigen – das Gesetz soll Suchmaschinen und Nachrichtenaggregatoren wie Google News treffen, sorgt aber für eine erhebliche Rechtsunsicherheit für die digitale Öffentlichkeit. Nicht einmal für kleine Blogs sind Ausnahmen geplant, jedes Zitat wird zum rechtlichen Risiko, jeder Verein, jede Pfarreiwebseite ist betroffen. Artikel 13 verpflichtet Onlinedienste, Uploads von Nutzern auf Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen: Technisch ein Ding der Unmöglichkeit, weil keine Software prüfen kann, ob eine Urheberrechtsverletzung oder ein zulässige Nutzung vorliegt – das Netz als Ressource der Gemeinschaft und der Kommunikation ist damit bedroht.
Im Prozess zeigt sich dann, was der EU am meisten fehlt: Eine europäische Öffentlichkeit. Die meldet sich hier mit deutlicher Kritik zu Wort. Manche Abgeordnete und sogar die Europäische Kommission können mit dieser für ein europäisches Projekt ungewöhnlich hohen Beteiligung der Öffentlichkeit nicht umgehen. Die EU-Kommission hatte die Kritiker des Projekts in einem mittlerweile gelöschten Text als "Mob" beschimpft, besonders Abgeordnete der Union bemühen sich nach Kräften, die breite Opposition aus der Zivilgesellschaft zu diskreditieren: Millionen, die Petitionen unterschreiben, Zehntausende, die Mails schreiben, Tausende, die auf die Straße gehen, die vielfältigen Organisationen der netzpolitischen Szene bis hin zur Gesellschaft katholischer Publizisten: Die aufkeimende europäische Öffentlichkeit wird mit dem Argument weggewischt, dass sie samt und sonders von Google gesteuert sei.
Urheberrecht ist heute, wo Öffentlichkeit vor allem digital vermittelt entsteht, nicht einfach nur ein randständiges Rechtsgebiet: Es ist die Rahmenordnung unserer demokratischen Öffentlichkeit. Urhebern zu ermöglichen, von ihren Werken zu leben und damit Geld zu verdienen, ist wichtig – aber kein absolutes Recht. Wer von "geistigem Eigentum" redet, kann von seiner Sozialpflichtigkeit und Gemeinwohlorientierung nicht schweigen. "Das ist das Netz, das wir wollen. Ein Netz, das […] der Freiheit und dem Schutz einer Gemeinschaft freier Menschen dient", hat Papst Franziskus jüngst allgemein über das Netz geschrieben. Wer ein starkes Europa will, muss dafür sorgen, dass es ein Raum des Dialogs bleibt.