Der Vatikan muss nach dem Urteil gegen Pell Konsequenzen ziehen
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Einige der Reaktionen auf das Urteil gegen Kardinal George Pell gestern waren doch sehr befremdlich – auch die des Vatikan. Immerhin, die Entscheidung wurde anerkannt, aber konkrete Konsequenzen für Pell? Fehlanzeige. Aus den Statements der Bischöfe von Sidney und Melbourne sprach neben der Würdigung von Opfern auch eine deutliche Anerkennung Pells; manche Kreise australischer Katholiken sehen in dem Verfahren sowieso eher ein Art Schauprozess, in dem der Kardinal als Sündenbock für die Vergehen katholischen Kirche herhalten muss.
Hier zeigt sich ein Verhaltensmuster, das die katholische Kirche nach den Lehren des Missbrauchsskandals eigentlich längst hinter sich gelassen haben sollte: dass sie sich selbst näher ist als den Opfern, dass der Schutz der Institution und ihrer Repräsentanten – vor allem der Prominenten - über allem steht. Fast könnte man meinen, die Tatsache, dass ein KARDINAL im Gefängnis sitzt, sei in jedem Fall die größere Ungeheuerlichkeit – was auch immer er getan haben möge.
Schon um seiner eigenen Glaubwürdigkeit willen muss der Vatikan jetzt hart durchgreifen und zeigen, dass seine Nulltoleranzpolitik in Sachen Missbrauch auch bei ranghohen Kirchenvertretern gilt. In früheren Fällen ist man hier viel zu zögerlich vorgegangen. Ein Beispiel ist die durch einen Missbrauchsskandal erschütterte chilenische Bischofskonferenz: Franziskus hatte die Oberhirten nicht entlassen, sondern den Bischöfen die gesichtswahrende Möglichkeit gegeben, selbst zurückzutreten – ob das nun auf seinen Druck hin passiert oder nicht, ist da zweitrangig. Und im Fall früheren Kardinals, Erzbischofs und Priesters Theodore McCarrick hinkte der Vatikan in seinen Reaktion hinterher: Es wurde jeweils erst dann gehandelt, wenn neue Details über McCarricks Verfehlungen publik wurden.
Daraus gilt es zu lernen und im Fall Pell jetzt das kirchenrechtliche Verfahren, das ja eh unabhängig ist von den 'weltlichen' Gerichtsprozessen, entschlossen voranzutreiben. Auch weitreichende Konsequenzen dürfen nicht gescheut werden - bis hin zur Aberkennung des Kardinalstitels oder gar der Entlassung aus dem Klerikerstand.