Zu viel Papst in den Medien!
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Wohl jedem Theologiestudenten wird mindestens einmal während seines Studiums eine Anekdote des englischen Konvertiten William George Ward erzählt. Ward, der sich am Vorabend des Ersten Vatikanischen Konzils für die päpstliche Unfehlbarkeit aussprach, soll gesagt haben: "I would like to have a papal bull every morning with my Times at breakfast" ("Ich hätte gerne jeden Morgen zusammen mit meiner 'Times' eine päpstliche Bulle"). Ob er sich wirklich genauso ausdrückte oder nicht – den Dozenten dient die Geschichte dazu, das katholische Klima des 19. Jahrhunderts erfahrbar zu machen.
Wards Traum ist wahr geworden. Wenn ich morgens mein Smartphone in die Hand nehme, bekomme ich mehr als eine päpstliche Bulle – auf Twitter lese ich das letzte Angelusgebet im Wortlaut, Facebook weiß von der aktuellen Pressekonferenz, bei YouTube kann ich gar mit ihm gemeinsam beten. In Ton, Bild und Farbe erzählt mir Franziskus alles über jedes nur vorstellbare Thema – genau das also, was Ward sich so sehnlich gewünscht hat. Wie eine Familie funktioniert, wie man mit Scheidung umgeht, wie Regierende ihre Macht ausüben sollen oder auch wie man das Kreuzzeichen korrekt ausführt – der Papst hat ein Patentrezept.
Leider führt diese mediale Überpräsenz auch dazu, dass allzu schmerzlich deutlich wird, bei welchen Themen der Papst plötzlich schweigt: beim Missbrauchsskandal oder dem fehlenden Stimmrecht für weibliche Synodenteilnehmerinnen – und es wird der ganzen Welt vor Augen geführt, wenn er sich unpassend äußert. Dass die lang ersehnte Reaktion des Papstes auf die gegenwärtige Krise darin bestand, zum Rosenkranz-Beten gegen den Teufel aufzurufen, kann bei aller Wertschätzung von Gebet und Frömmigkeit nicht zufriedenstellen.
Im 19. Jahrhundert kursierten ultramontane Bücher und Zeitschriftenartikel, die den Papst extrem überhöhten. Heute läuft der Film "Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes" in den Kinos. Nie zuvor waren die medialen Möglichkeiten derart ausgebildet, dass sämtliche päpstliche Äußerungen sofort überall auf der Welt abrufbar sind. Tatsächlich würde etwas weniger davon der Kirche guttun. Denn so lange die katholische Kirche mit dem Papst identifiziert wird, so lange können Katholikinnen und Katholiken sich in ihrem Alltag um authentisches Christsein so sehr bemühen, wie sie möchten – wenn der Papst dann eine unangemessene Äußerung macht oder den entscheidenden Moment, zu sprechen, verpasst, ist die aktuelle Meinung über "die Kirche" zementiert.