Joas: Politische Linie der Kirchenführung ist für Gläubige nicht verpflichtend

Soziologe warnt Kirchen vor einseitiger Parteinahme

Veröffentlicht am 28.11.2016 um 10:37 Uhr – Lesedauer: 
Soziologe warnt Kirchen vor einseitiger Parteinahme
Bild: © dpa/R4200
Gesellschaft

Köln ‐ "Es darf nie so scheinen, als wäre die politische Linie der Kirchenführung verpflichtend für alle Mitglieder der Kirchen": Der Soziologe Hans Joas warnt die Kirchen vor einseitiger politischer Positionierung.

  • Teilen:

Der Soziologe und Sozialphilosoph Hans Joas hat die Kirchen vor einer zu einseitigen Positionierung in politischen Fragen gewarnt. "Es darf nie so scheinen, als wäre die politische Linie der Kirchenführung selbstverständlich verpflichtend in irgendeinem Sinn für alle Mitglieder der Kirchen", sagte Joas am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Mit einer solchen Haltung könnten die Kirchenleitungen ähnlich wie die Politik viele Menschen verprellen und in die Arme von Populisten treiben. In Deutschland hätten die Kirchen etwa in der Flüchtlingspolitik uneingeschränkt die Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützt. In anderen Ländern gebe es dagegen Kirchenvertreter, die eine sehr restriktive Flüchtlingspolitik unterstützten und dies auch christlich begründeten.

Der Blick über die Grenzen zeige außerdem, dass in anderen Ländern "von der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit hoch moralisch argumentiert wird, aber mit Tendenzen gegen die Eheschließungsmöglichkeit von Homosexuellen beispielsweise, die sich die deutsche evangelische Kirche nicht zu eigen machen würde." Es gebe also, so Joas weiter, "eine Fülle von Politiken, die als christlich gerechtfertigt werden, und die Eindeutigkeit ist in keinem dieser Fälle vorhanden und darf deshalb nicht so einfach in Anspruch genommen werden".

Auch mit Blick auf die etablierten Parteien kritisiert Joas den Umgang mit rechtspopulistischen Strömungen. Wer Protestrufe zum Schweigen bringen wolle, "verstärkt die Entfremdung zwischen einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung und dem deutschen Parlament", sagte Joas. Auf jeden Fall gelte, "dass - wenn man die Wähler, die einen nicht mehr wählen, beleidigt - man sie dadurch nicht zurückgewinnt". Deshalb rate er den Parteien, die besonders von diesem Verlust gefährdet sind, besser in sich zu gehen, anstatt pauschale und abwertende Etikettierungen von sich zu geben. (stz/KNA)