Geheimniskrämer
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Kardinal Robert Sarah, Präfekt der römischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, lässt keine Gelegenheit aus, um die Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils zu kritisieren. Sein jüngster Vorwurf lautet: Geheimnisverrat. In seinem Grußwort für eine Tagung zur Zukunft der "Tridentinischen Messe" heißt es: "Die modernen Förderer einer lebendigen Liturgie … vergaßen, dass die liturgische Handlung nicht nur ein Gebet, sondern auch und vor allem ein Mysterium ist, bei dem sich für uns etwas vollzieht, das wir zwar nicht gänzlich verstehen können, doch das wir im Glauben, in der Liebe, im Gehorsam und in einem anbetenden Schweigen annehmen und empfangen müssen. Und genau das ist die wahre Bedeutung der aktiven Anteilnahme der Gläubigen."
Ich bezweifle, dass es dem Glauben dient, wenn man von den Gläubigen verlangt, sie sollten vollziehen, was sie nicht verstehen. Im Neuen Testament und in der christlichen Tradition wird das Gegenteil betont. Paulus warnt davor, den Glauben "unüberlegt" anzunehmen (1 Kor 15,2) und plädiert für einen "vernünftigen Gottesdienst" (Röm 12,1). Augustinus stellt in seinen späten Texten fest, dass es keinen unbedachten Glauben geben kann. Niemand vermag etwas zu glauben, von dem er nicht zuvor eingesehen hat, es könne geglaubt werden.
Wer also für die "Geheimnisse des Glaubens" Verständnis aufbringen soll, muss sie zuvor verstanden haben. Wer aber nur den Glauben von Christen stärken will, ohne zugleich ihren Verstand zu wecken, verhindert, dass sie verstehen, was sie glauben. Versteht man nicht, was man glaubt, löst man mit einem solchen unverständigen Glauben letztlich nur Unverständnis aus. Am Ende verstehen sich die Gläubigen selbst nicht mehr.
Für diesen Fall hat Kardinal Sarah vorgesorgt: Er empfiehlt Gehorsam und anbetendes Schweigen. Darin soll ohnehin die aktive Teilnahme der Gläubigen in der Liturgie bestehen. Am besten halten sie den Mund. Kardinal Sarah ist in einer Position, in der er das Sagen hat. Macht er davon Gebrauch, will er Stellung beziehen. Seine jüngste Stellungnahme macht klar: Der Schritt vom Glaubenshüter zum Geheimniskrämer ist nicht weit.