Kongress "Gemeinsam für gelebte Demokratie" findet in Köln statt

Heße: "Ich hänge nicht am Begriff Leitkultur"

Veröffentlicht am 04.05.2017 um 15:30 Uhr – Lesedauer: 
Gesellschaft

Köln ‐ Leitkultur - ein Wort, das Reaktionen von großer Zustimmung bis zu strikter Ablehnung hervorruft. Die Kirchen und andere Religionsgemeinschaft haben den Begriff nun auf einem Kongress kritisiert.

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In der neuerlichen Debatte über eine deutsche Leitkultur haben sich Vertreter von Religionen und Zivilgesellschaft skeptisch bis ablehnend gezeigt. "Ich hänge überhaupt nicht am Begriff Leitkultur", sagte Hamburgs Erzbischof Stefan Heße der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag auf dem Kongress "Gemeinsam für gelebte Demokratie" in Köln. "Mir ist wichtig, dass wir über das, was unser Land zusammenhält, im Gespräch sind." Das seien etwa das Grundgesetz, die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, Bildung und Kultur. An dem Dialog sollten sich sowohl Einheimische als auch Fremde beteiligen.

"Wenn wir etwas nicht brauchen im Kulturbereich, ist das Leitkultur", sagte der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann. Auch er betonte auf dem Kongress den Stellenwert von Debatten. "Die Kultur dieser Welt ist unglaublich vielfältig." Dies sei bereichernd. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, sagte der KNA: "Ich habe Verständnis, dass in Zeitabständen Grunddiskussionen geführt werden."

Mazyek: "Wir müssen wieder für unsere Demokratie brennen."

Die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, betonte: "Die Aufgabe unserer Zeit ist, genau hinzugucken." Angesichts von über 40 Prozent der Menschen in Deutschland, die sich freiwillig engagierten, gebe es ein "gutes Rückgrat" gegen Abwehr, Ausgrenzung und für Demokratie. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, betonte: "Wir müssen einfach wieder für unsere Demokratie brennen." Er warb dafür, vorhandene Möglichkeiten stärker zu nutzen.

Am Wochenende waren Thesen zur Leitkultur von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) veröffentlicht worden, was in der Folge zu heftigen Debatten führte. Während der Minister weitgehend Zustimmung aus der Union erhielt, kam aus der Opposition starker Gegenwind. Kritik gab es auch vonseiten des Koalitionspartners SPD.

Bild: ©picture alliance/dpa

Thomas de Maiziere (CDU) ist Bundesinnenminister.

In seinen Thesen beschreibt der Minister unter anderem Religion als "Kitt und nicht Keil der Gesellschaft". An anderer Stelle schreibt er, Deutschland sei eine offene Gesellschaft. Dazu gehörten auch soziale Gewohnheiten, etwa, dass man zur Begrüßung die Hand gebe und seinen Namen nenne: "Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka." Allen, die ins Land kommen und bleiben dürfen, "reichen wir unsere ausgestreckte Hand". Doch wer die Leitkultur nicht kenne, vielleicht nicht kennen wolle oder ablehne, dem werde Integration kaum gelingen.

Aus den Reihen der katholischen Bischöfe hatte sich bereits der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck geäußert. Er begrüßte die Debatte um eine deutsche Leitkultur zwar grundsätzlich, betonte jedoch, die Diskussion dürfe nicht auf "Stammtischniveau" und nicht nur im Vorfeld von Wahlen geführt werden.

Der Kongress "Gemeinsam für gelebte Demokratie" unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war die erste Tagung dieser Art der "Allianz für Weltoffenheit", zu deren Gründungsmitgliedern unter anderem die Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), der Koordinierungsrat der Muslime, der Zentralrat der Juden in Deutschland, der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie andere Verbänden gehören. (rom/KNA)

Linktipp: Marx: Gelebtes Christentum statt Leitkultur

Die CSU will eine "deutsche Leitkultur" für verbindlich erklären. Doch gerade christliche Prinzipien ließen sich nicht per Gesetz festlegen, warnt Kardinal Marx. Er hält ein anderes Konzept dagegen. (Artikel vom Oktober 2016)