Papst geht hart mit Spekulanten ins Gericht
Papst Franziskus hat am Samstag in Genua Beschäftigung für alle gefordert und Spekulantentum kritisiert. Im Mittelpunkt seiner eintägigen Visite stand ein Besuch in dem maroden Stahlwerk ILVA. Ohne eine gute Verteilung von Arbeit gerieten die Demokratie und der gesamte Sozialpakt in Gefahr, sagte Franziskus. Bei einem Treffen mit Priestern und Ordensleuten betete er für die Opfer des Terroranschlags in Ägypten auf koptische Christen. Bewegt erinnerte er auch daran, dass sein Vater von Genua aus nach Argentinien ausgewandert war. Für den 80 Jahre alten Papst war es das erste Mal, dass er die norditalienische Hafenstadt besuchte.
Bei seiner Ankunft in Genua wurde Franziskus von Hunderten Stahlwerkern mit gelben Schutzhelmen empfangen. ILVA, nach der Kapazität größter Stahlkonzern Europas mit laut Medienangaben knapp 14.000 Beschäftigten im sizilianischen Taranto und in Norditalien, steht seit 2015 unter kommissarischer Verwaltung. Das Unternehmen hat mit Stellenabbau und Umweltskandalen zu kämpfen. Am Freitag stimmten die kommissarischen Leiter Berichten zufolge einer Übernahme durch das Konsortium Arcelor Mittal-Marcegaglia zu.
Genuas Erzbischof Kardinal Angelo Bagnasco nannte die Situation am Arbeitsmarkt "ernst und schwerwiegend", sowohl für junge Menschen als auch für Familien. Papst Franziskus betonte, das Ziel müsse nicht ein Einkommen für alle sein, sondern Arbeit für alle. "Ohne Arbeit für alle wird es keine Würde für alle geben", so der Papst. Dabei wandte er sich in scharfer Weise gegen Lohndumping und Kurzzeit-Verträge. Wer sich in dieser Weise die Not von Beschäftigungssuchenden zunutze mache, praktiziere "Erpressung".
Unternehmer sollen Waren verkaufen, nicht Menschen
Der Sozialpakt beruhe auf der Arbeit, so der Papst. "Wenn es keine Arbeit gibt, oder eine schlechte Arbeit oder zu wenig oder zu viel, gerät die Demokratie in die Krise, der ganze Sozialpakt." Weiter kritisierte Franziskus eine Politik, die eine Spekulation mit Arbeit statt Investitionen in Arbeit begünstige. Man müsse "die Spekulanten fürchten, nicht die Unternehmer", sagte er während eines rund einstündigen Gesprächs mit Vertretern des Unternehmertums, der Gewerkschaften, der Arbeiterseelsorge und der Arbeitslosen.
„Heute verkauft er seine Leute, morgen verkauft er seine Würde.“
Spekulanten verglich der Papst mit einem "Mietling", der die Herde bei Gefahr im Stich lasse. "Eine Krankheit der Wirtschaft ist die fortschreitende Transformation von Unternehmern in Spekulanten." Wer meine, Probleme mit Entlassungen lösen zu können, sei kein guter Unternehmer. "Heute verkauft er seine Leute, morgen verkauft er seine Würde", sagte Franziskus. Er wies auch Leistungsanreize zurück, die eine falsche Konkurrenz unter den Beschäftigten schürten. Dies zerstöre das Band des Vertrauens, das die Seele jeder Organisation sei. Das "vielgepriesene Leistungsprinzip" könne in einer Weise instrumentalisiert werden, dass es zu einer "ethischen Rechtfertigung der Ungleichheit" werde. Am Ende seien Arme schuld an ihrer Armut, während Reiche von der Pflicht zu handeln entlastet seien.
Der Papst verurteilt "Novizenhandel"
Anschließend traf Franziskus mit Priestern und Ordensleuten in der Kathedrale von Genua zusammen. Dabei rief er die Kleriker zu innerem Zusammenhalt und zu Nähe zu den Menschen auf. Seelsorger müssten "im Fluss" der Kirche sein, gleich ob in der Mitte oder "ein bisschen rechts oder links". Im Blick auf Ordensnachwuchs verurteilte er einen "Novizenhandel" aus dem Ausland. Er nannte es einen "Skandal", wenn gezielt Arme angeworben würden, ohne dass sie eine Berufung zum Ordensleben hätten.
Jugendliche rief er zu einem eigenständigen Urteil und zum Zugehen auf Arme auf. Sie dürften keine Angst haben, "eine schmutzige Hand zu drücken", sagte er bei einer Begegnung in der Wallfahrtskirche Madonna della Guardia. Am Nachmittag wollte Franziskus eine Messe am Hafen feiern. Am frühen Abend war die Rückkehr nach Rom geplant. (KNA)