Missbrauchs-Ermittlungen: Kardinal Pell legt Amt nieder
Der Finanzchef des Vatikan, Kurienkardinal George Pell, legt angesichts von Missbrauchsvorwürfen in seiner Heimat Australien sein Amt vorübergehend nieder. Papst Franziskus habe ihm die Erlaubnis für die Auszeit gegeben, um in Australien seine Unschuld zu beweisen, gab der Kurienkardinal am Donnerstag in Rom bekannt. Er beteuerte wiederholt seine Unschuld. "Die Anschuldigungen sind falsch. Die ganze Vorstellung von sexuellem Missbrauch ist für mich abscheulich", so Pell. Er werde in Absprache mit seinen Ärzten und Anwälten nach Australien reisen, "um meinen Namen rein zu waschen". Vatikansprecher Greg Burke erklärte, der Kurienkardinal werde ab sofort nicht mehr an öffentlichen liturgischen Feiern teilnehmen. Das vatikanische Wirtschaftssekretariat, dem Pell vorsteht, werde seine Arbeit wie gewohnt fortführen.
Die australische Polizei hatte ein Ermittlungsverfahren gegen den 76-Jährigen wegen des sexuellen Missbrauchs von Jungen eingeleitet. Wie der stellvertretende Polizeipräsident des Bundesstaates Victoria, Shane Patton, ebenfalls am Donnerstag mitteilte, geht es um länger zurückliegende Missbrauchsvorwürfe. Es gebe mehrere Kläger. Pell soll demnach am 18. Juli vor dem Amtsgericht in Melbourne erscheinen. Die Australische Bischofskonferenz warnte vor einer Vorverurteilung. Es gelte die Unschuldsvermutung, betonte Erzbischof Mark Coleridge, stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz. Der Kardinal habe "immer mit den Behörden zusammengearbeitet".
Auch Vorwürfe der Vertuschung gegen Pell
Der Kardinal war bereits im Oktober 2016 in Rom von australischen Polizisten zu den Missbrauchsvorwürfen verhört worden. Zwei über 40 Jahre alte Männer beschuldigen Pell, sie in den 1970er Jahren in einem Schwimmbad in Ballarat sexuell belästigt zu haben. Zu der Zeit war Pell Priester in der Stadt. 2014 ernannte Papst Franziskus den damaligen Erzbischof von Sydney zum Präfekten des neu geschaffenen vatikanischen Wirtschaftssekretariats. Pell gehört außerdem dem Kardinalsrat an, der den Papst bei der Kurienreform berät.
Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen Pell waren auch schon früher aufgekommen. 2002 war Pell von einer Untersuchungskommission der Erzdiözese Melbourne vom Missbrauchsvorwurf aus Mangel von Beweisen freigesprochen worden. Ein Mann hatte Pell beschuldigt, ihn als Zwölfjährigen in einem katholischen Jugendlager sexuell missbraucht zu haben. Kardinal Pell sieht sich auch seit langem dem Vorwurf gegenüber, als Priester in Ballarat und später als Erzbischof von Melbourne an der Vertuschung von Missbrauchsfällen beteiligt gewesen zu sein. In seinen Aussagen vor der staatlichen Missbrauchskommission hatte Pell den Vorwurf der Vertuschung von Missbrauchsfällen energisch zurückgewiesen. Als Erzbischof von Melbourne hatte Pell aber auch mit der "Melbourne Response" erste Standards für den Umgang mit Missbrauchsfällen gesetzt. (jhe/dpa/KNA)
29.06.2017, 12:55 Uhr: Ergänzt um die Äußerung der Australischen Bischofskonferenz und weitere Details. /jhe
Linktipp: Der Furchtlose
Kardinal George Pell gehört zu den Mächtigsten der Kirche. Er ist Finanzchef des Vatikan und enger Berater des Papstes. Doch bis heute bleibt ein entscheidender Punkt seiner Vergangenheit im Dunkeln. (Artikel von Juni 2016)Die Mitteilung des Vatikans im Wortlaut
Der Heilige Stuhl hat mit Bedauern von dem Ermittlungsverfahren gegen Kardinal George Pell erfahren, das wegen Jahrzehnte alten Vorfällen, die ihm angelastet werden, in Australien eingeleitet wurde.
Als Kardinal Pell von dieser Anklage erfuhr, entschied er sich unter voller Achtung des Zivilrechts, sich diesen in senem Heimatland zu stellen. Damit erkennt er die Wichtigkeit seiner Teilnahme für einen fairen Prozess an und fördert die Suche nach der Wahrheit.
Nachdem er von Kardinal Pell informiert wurde, hat der Heilige Vater ihm eine Freistellung ermöglicht, damit er sich verteidigen kann.
Während der Abwesenheit des Präfekten wird das Wirtschaftssekretariat weiterhin seinen Aufgaben nachkommen. Die Sekretäre werden an ihren Stellen verbleiben, um die normalen Abläufe des Dikasteriums weiterzuführen, donec aliter provideatur [solange, bis anderes verfügt wird].
Der Heilige Vater, der Kardinal Pells Ehrlichkeit während seiner dreijährigen Anstellung in der Römischen Kurie schätzt, ist dankbar für seine Mitarbeit und im Besonderen für seine energische Hingabe an die Reformen im ökonomischen und administrativen Bereich, ebenso wie seine aktive Teilnahme am Rat der Kardinäle (K9).
Der Heilige Stuhl bekundet seinen Respekt vor dem australischen Justizsystem, das über die aufgeworfenen Fragen entscheiden muss. Zugleich darf nicht vergessen werden, dass Kardinal Pell öffentlich und wiederholt den Missbrauch von Minderjährigen als unmoralisch und nicht tolerierbar verurteilt hat. Zudem hat er in der Vergangenheit mit australischen Behörden zusammengearbeitet, zum Beispiel durch seine eidesstattlichen Aussagen vor der staatlichen Kommission, und die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen unterstützt. Schließlich hat er, als australischer Diözesanbischof, Systeme und Prozesse sowohl für den Schutz von Minderjährigen als auch für den Beistand von Missbrauchsopfern eingeführt.
Originaltext in englischer Sprache, Übersetzung durch katholisch.de