Vom Bestatter zum Kapellen-Seelsorger
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Ein gelernter Schreiner, der Seelsorge betreibt, das klingt ein wenig nach Jesus. Aber Georg Schöppner ist mit 67 Jahren mehr als doppelt so alt wie Jesus zum Zeitpunkt seines Todes. Und obwohl er gerne Diakon geworden wäre: Schöppner hatte nie ein kirchliches Amt inne, sondern war Bestatter, der nebenbei eine Schreinerei hatte. Dennoch sitzt er oft in einer Kapelle bei Bad Tölz in Oberbayern und spricht mit den Menschen über ihre Probleme.
Seit er 2004 in den Ruhestand ging, lebt Schöppner mit seiner Frau in Kochel am See, wo sie früher mit der ganzen Familie Urlaub gemacht haben. Davor hat er im Ruhrgebiet den Beruf ausgeübt, der ihm von seiner Familie in die Wiege gelegt worden war. "Als Kinder haben wir in Särgen gespielt und meine Kinder haben das später auch getan". Seinen ersten "Einsatz" hatte er bereits mit sechs Jahren: Am Ostertag 1956 hat ihn sein Vater geweckt und gesagt, dass er bei einem Haussterbefall mithelfen müsse. Wie er wurde auch Georg Schöppner sowohl Schreiner als auch Bestatter.
Schon als Bestatter spendete er Trost
Die kleine Kapelle, für die er sich nun engagiert, hat Schöppner selbst mit aufgebaut. Außergewöhnlich ist, dass sie nicht der Kirche gehört, sondern auf den Lebenstraum der Tölzerin Marlies Winterseel zurückgeht. Sie bewegte die Stadt und viele Ehrenamtliche, mitzumachen und Anfang 2013 begannen ein einheimischer Architekt und mehrere Handwerker mit dem Bau auf dem "Hausberg" der Tölzer, dem Blomberg. Schöppner stellte den Altar und die Sitzbänke her.
Als die Blomberg-Kapelle Ende Mai 2015 eingeweiht wurde, suchte die Stadt Bad Tölz, der die Immobilie gehört, nach zuverlässigen Betreuern. Sie fand sie im Tölzer Veteranenverein, der seit mehr als 175 Jahren besteht. "Weil ich mich auch weiterhin um die Kapelle kümmern und Verantwortung für sie übernehmen wollte, trat ich – der aus Mülheim an der Ruhr Zugezogene – bei den Veteranen ein", berichtet Schöppner.
Putzen, Aufräumen, Seelsorgen
Einmal die Woche fährt er rund 25 Kilometer über Benediktbeuern auf den Blomberg, um in seiner Kapelle zu sein. "Ich komme gerade zurück vom Putzen," erzählt er. Zwei bis drei Stunden ist er in der Regel dort und leert den Opferstock, füllt die Kerzen auf und macht handwerkliche Arbeiten – wie ein Mesner. Oder er hört den Besuchern zu. Denn rund neun von zehn Gästen der großen Gaststätte an dem beliebten Voralpen-Wanderort schauen auch in der benachbarten Kapelle vorbei.
Aus den Erfahrungen seines Berufslebens erklärt er auch seine Fähigkeit, Menschen zuhören und ihnen Trost spenden zu können: "Als Bestatter hat man immer mit Menschen zu tun, die in einer schwierigen Situation und sehr traurig sind, und man versucht mit ihnen zu reden." In diesen Gesprächen müsse man versuchen, mit den Trauernden auch über den Tod hinaus zu blicken. Der Tod sei nicht das Ende, sondern gehöre zum Leben. "Leider versuchen viele, den Tod zu verdrängen oder als etwas Schlimmes darzustellen. Wir leben aber, um zu sterben, darüber muss man sich im Klaren sein."
Wenn er oben in der Kapelle sitze und Leute weinen sehe, versuche er, sie anzusprechen. Viele berichteten etwa, dass der Ehepartner verstorben sei. "Dann tue ich genau das, was ich ja mein ganzes Leben lang gemacht habe: Die ersten Kontaktgespräche im Todesfall führen." Bestatter seien oft noch vor den Priestern die ersten, die mit trauernden Angehörigen sprächen.
Kardinal Marx ermutigt den verhinderten Diakon
Schöppner ist tiefreligiös, das Engagement für die Kapelle kommt nicht von ungefähr. Der Wunsch, Diakon zu werden, habe ihn lange begleitet, erzählt er und fügt hinzu "aber das ging in den Berufsjahren als Selbstständiger zeitlich nicht". Auch im Ruhestand ließ Schöppner der Gedanke nicht los. Er bemühte sich auch um ein Theologiestudium, um doch noch Diakon zu werden. "Aber nun scheitert es an meinem hohen Alter. Zwei Kirchenrechtler sagten mir, dass das nicht mehr gehe".
Oben in der Kapelle wird er trotzdem als "Herr Pfarrer" oder "Herr Mesner" angesprochen und so machte sich Schöppner Gedanken über seine Legitimation. Weil er eine Absicherung wollte, schrieb er einen Brief an seinen Bischof, Kardinal Reinhard Marx, der zuvor die Aktivität der Laien gefordert hatte. "Ich meinte, dass ich zu alt für ein Theologiestudium bin, aber das mit den Gesprächen in der Kapelle noch gerne machen möchte und fragte ihn nach Verhaltensregeln". Als Geschenk fügte er einen Fußschemel an, den er selbst entworfen hat.
Pünktlich zum zweiten Geburtstag der Blomberg-Kapelle erhielt Schöppner die handgeschriebene Antwort des Erzbischofs von München und Freising. Marx dankte für das Geschenk und auch für den Bericht über die Kapelle und sein Wirken dort. Dann fügte der Kardinal an: "Tun Sie, was der Heilige Geist Ihnen eingibt: Wer trösten kann, der tröste." Er sicherte Schöppner zu, mit ihm im Gebet verbunden zu sein. Dieser will die Menschen auch weiterhin trösten. Viele gingen traurig in die Kapelle rein und kommen lächelnd wieder heraus, sagt er und verrät noch weitere Pläne: Ab Oktober wird er einen Abend der Woche an einer Seniorenuni in München verbringen und sich theologisch fortbilden.