Kalte Dusche für den guten Zweck
Während die "IceBucketChallenge" schon seit Wochen wie eine riesige Laola-Welle die sozialen Netzwerke überrollt, kann sie inzwischen auch kaum übersehen, wer sich primär in der analogen Welt bewegt. Auch Katholiken nehmen gerne teil.
Untertauchen in der Badewanne
Einer von ihnen ist der Priester Carsten Leinhäuser aus dem Saarland, der in einem Video auf Twitter zeigt, wie er in voller Montur – inklusive Priesterkragen – in einer Badewanne untertaucht, die er vorher mit kaltem Wasser und Eiswürfen gefüllt hat. Doch warum das Ganze?
Die Idee ist, auf die Nervenkrankheit ALS ("Amyotrophe Lateralsklerose") aufmerksam zu machen und Geld für deren Erforschung zusammenzutreiben. Im Verlauf dieser unheilbaren Krankheit werden Nervenzellen zerstört, die für die Muskeln verantwortlich sind, die Patienten können sich immer weniger bewegen, sie sterben häufig an einer Lähmung der Atemmuskulatur.
Die Aktion, die auf die us-amerikanische Interessenvertretung ALS Association zurückgeht, läuft in der Regel so ab: Die Teilnehmer schütten sich einen Kübel Eiswasser über den Kopf, spenden Geld für die ALS-Forschung und nominieren drei weitere Kandidaten. Wer sich angesichts der Herausforderung als Warmduscher entpuppt und lieber auf das Eiswasser verzichtet, dem legt der Aufruf nahe, eben entsprechend mehr Geld locker zu machen. Zum Beweis wird das Ganze per Video festgehalten und auf Facebook oder Twitter gepostet. Sogar der Papst hat inzwischen eine Nominierung bekommen.
Spaßfaktor und Spenden
In Deutschland war auch Stephan Kronenburg, Pressesprecher des Bistums Münster, dabei. Er hat die Aufgabe am vergangenen Sonntagmorgen direkt vor dem Besuch der Heiligen Messe absolviert. "Das ist eine sehr lustige Aktion, um auf eine sehr ernsthafte Krankheit hinzuweisen", lautet sein Fazit. Auf diese Art und Weise Hilfe für die Betroffenen zu organisieren, sei "wirklich großartig".
Stephan Kronenburg, Pressesprecher des Bistums Münster, unter der Dusche.
Nominiert ist auch Ulrich Lota, Leiter der Zentralabteilung Kommunikation im Bistum Essen. Er kennt die Krankheit aus der eigenen Familie. Lota hat es zwar nicht geschafft, pünktlich innerhalb der eigentlich vorgegebenen 24 Stunden zu reagieren. Doch auch ihn spricht Idee der Aktion an. "Das ist ja doch sehr interessant: die gegenseitigen Nominierungen haben irgendwie etwas von Schadenfreude, es ist eindeutig ein Spaßfaktor dabei und gleichzeitig wird auf diese schreckliche Krankheit aufmerksam gemacht und Spenden generiert", fasst er zusammen.
ALS-Ambulanz an der Berliner Charité profitiert
Dennoch nimmt er inzwischen einen gewissen Sättigungsgrad bei der Aktion wahr: "Meine Timeline auf Facebook läuft über mit Videos von Menschen, die an der Challenge teilgenommen haben", berichtet er. "Spätestens wenn es sich irgendwann so anfühlt, als ob alle Welt sich mit Eiswasser übergießt und man feststellt, dass für die eigentliche Krankheit gar nicht mehr soviel Aufmerksamkeit übrig bleibt, dann wird es kritisch", meint er.
Deutsche Spendenexperten haben grundsätzlich nichts gegen den Witz: "Wir finden nichts Verwerfliches daran, wenn man über Spaß an eine Sache herangeführt wird", sagte beispielsweise Burkhard Wilke, Leiter des Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Und auch die ALS-Ambulanz an der Berliner Charité profitiert von der Aktion. Das Spendenaufkommen für die Ambulanz hat sich binnen kürzester Zeit vervielfacht.
Forschung an embryonalen Stammzellen?
Kritischere Töne kommen von der anderen Seite des Atlantiks: Ken Wyman, Professor für Fundraising am Humber College in Toronto wies in der " Financial Post " auf einige Risiken hin. So könne der Erfolg der Kampagne im schlimmsten Fall den Eindruck vermitteln, es sei nun genug Geld für die Forschung von ALS zusammengekommen – und es müsse in Zukunft nicht mehr gespendet werden. Zudem berichten verschiedene Medien, die US-Erzdiözese von Cincinnati habe ihren Schulen davon abgeraten an der Challenge teilzunehmen. Der Grund: Die US-amerikanische ALS-Association fördere auch Forschungen an embryonalen Stammzellen . Das lehnt die katholische Kirche jedoch strikt ab.
Gesehen von der humorvollen Seite, kann die Kampagne Katholiken sowieso nur ein müdes Lächeln abringen. Facebook-User Norbert Fink schreibt, verbunden mit einem Smiley: "Water Challenge? Alter Kaffee! Machen wir schon seit 2.000 Jahren". Drüber zu sehen ist das Foto eines skeptisch dreinblickenden Babys mit weit geöffnetem Mund, das gerade getauft wird. Die Aufschrift: "Catholics: Pouring water on people before it was cool." – "Katholiken: Gossen schon Wasser auf Menschen, bevor es cool wurde". (mit Material von dpa)
Von Gabriele Höfling