...statt spalten!
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So mancher hat ihn damals verspottet. Zu weich sei er. Zu nachgiebig. Sein Grundsatz, lieber zu versöhnen statt zu spalten, tauge allenfalls für Kirchentage, nicht aber für das Holzen im politischen Alltag. Er bleibe halt selbst in den hohen und höchsten Ämtern der Republik stets jener Bruder Johannes, als den ihn seine Freunde lobten und seine Kritiker verlachten. Johannes Rau ließ sich durch beides nicht verbiegen; er blieb seiner Art Politik treu: geprägt von christlichem Glauben und der Überzeugung, in ihrer Würde seien alle Menschen gleich.
Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse erscheint mir Johannes Rau wie ein Relikt längst vergangener Epochen. Das "Allgemeinwohl" war für ihn noch kein überholter Begriff, gesellschaftliche Solidarität kein Muster ohne Wert und ein guter Kompromiss galt ihm mehr als ein verlustreicher Sieg.
In den USA des Donald Trump kann man momentan sehen, wohin es führen kann, wenn Politikern diese Orientierung fehlt. Um ins Weiße Haus einziehen zu können, hat sich dort der Präsident zur Geisel von Gruppen gemacht, zu denen sogar rechtsextreme Terroristen gehören. Die Folge: Statt mit klaren Worten einem weißen Rassismus entgegenzutreten, der einmal mehr Menschenleben kostete, konnte Trump an diesem Wochenende zunächst nur allgemein die Gewalt "auf vielen Seiten" verurteilen und billige Betroffenheit bekunden – "Charlottesville sad!". In dem Versuch, den rechten Flügel seiner Anhängerschaft nicht zu verprellen, vertiefte er damit den Graben, der sich mittlerweile kaum überbrückbar durch die amerikanische Gesellschaft zieht.
Zu versöhnen statt zu spalten, dieses Talent scheint dem Politiker Trump nicht gegeben zu sein; weder im eigenen Land, noch im Konflikt mit Nordkorea oder im Fall Venezuela, wo er ja ebenfalls mit militärischem Eingreifen gedroht hat. Ihm seinen Kollegen Rau für einen präsidialen Fernkurs in Sachen Beziehungsmanagement zu empfehlen, dafür ist es leider zu spät, aber vielleicht könnte er wenigstens einen schnellen Blick in die Bibel werfen, auf die er im Januar seinen Amtseid abgelegt hat. Mein Tipp: Matthäus 5,9 mit der Verheißung "Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden." Immerhin ein Titel, der einen Donald Trump durchaus reizen könnte. Und wenn er ihn sich wirklich verdiente, hätten wir sogar alle etwas davon.