Gottvertrauen im Angesicht des Diktators
Die größte Gefahr scheint vorerst gebannt zu sein: Im Konflikt zwischen Nordkorea und den USA stehen die Zeichen seit Anfang der Woche auf vorsichtige Entspannung. Nachdem sich die Drohungen zwischen beiden Ländern zuvor tagelang hochgeschaukelt hatten, trat Nordkoreas Diktator Kim Jong-un am Montag erstmals verbal auf die Bremse. Den angedrohten Angriff auf die US-Pazifikinsel Guam wolle er doch noch nicht starten, sondern erst abwarten, wie sich das Verhalten der "dummen und lächerlichen Yankees" weiter entwickele, gab Kim bekannt.
Es ist also wohl maximal eine Atempause, die die Welt mit Blick auf das kommunistische Regime derzeit gewährt bekommt. Diesen Zustand kennt man in Südkorea, dem unmittelbaren Nachbarland des Kim-Regimes, bereits seit Jahrzehnten. Regelmäßig schwankt der Aggregatzustand auf der koreanischen Halbinsel zwischen apokalyptischer Bedrohung und kurzfristiger Annäherung, je nach Laune des jeweiligen Diktators im Norden.
An Drohungen aus Nordkorea gewöhnt
Auch Marianne Beyer hat sich an die Drohungen aus Nordkorea gezwungenermaßen gewöhnt. Seit elf Jahren lebt die Deutsche in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul und ist dort als Vorsitzende des Pfarrgemeinderats der deutschsprachigen katholischen Gemeinde auch kirchlich engagiert. "Irgendwann schaltet man ab", sagt sie mit Blick auf die wiederkehrenden Eskalationen aus dem Norden. Mit den Jahren trainiere man sich die Haltung an, dass trotz aller Drohungen ja doch nichts passiere, so Beyer im Gespräch mit katholisch.de.
Linktipp: Explodiert das koreanische Pulverfass?
Droht ein Krieg zwischen Nordkorea und den USA? Seit Tagen blickt die Welt voller Sorge auf die Eskalation zwischen beiden Ländern. Auch die katholische Kirche ist alarmiert – und mahnt zu Besonnenheit.Bei der jüngsten Eskalation zwischen Nordkorea und den USA sieht die 70-Jährige die Schuld aber nicht nur beim kommunistischen Nachbarn. Mit Kim und US-Präsident Donald Trump stünden sich zwei Hitzköpfe gegenüber, von denen keiner nachgeben wolle. "In Südkorea hat man sich schon auch über Trump geärgert, der die Auseinandersetzung durch seine Aussagen unnötig angeheizt hat", erzählt Beyer.
Dennoch hat die Deutsche auch in der jüngsten Krise insgesamt eine große Gelassenheit bei ihren südkoreanischen Mitbürgern und in der deutschen katholischen Gemeinde festgestellt. Die in Seoul lebenden Ausländer seien zwar generell schneller als die Einheimischen über Drohungen aus Nordkorea besorgt, aber eigentlich könne sich niemand vorstellen, dass es tatsächlich zu einem Krieg auf der koreanischen Halbinsel komme. "Ein Angriff auf den Süden oder ein anderes Land wäre für Kim Jong-un und sein Regime kompletter Selbstmord", ist sich Beyer sicher. Sie selbst habe deshalb auch – trotz teilweise besorgter Anfragen aus der Heimat – noch nie daran gedacht, vorzeitig nach Deutschland zurückzukehren.
Ähnlich gelassen beurteilt auch Mi-Hwa Kong die momentane Situation. Die 39-Jährige ist seit Anfang August neue Pfarrerin der evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in Seoul. Die Eskalation zwischen Nordkorea und den USA sei für sie kein Grund gewesen, ihre Stelle nicht anzutreten. "Ich wollte nach Südkorea und habe mich sehr gefreut, die Pfarrstelle in Seoul anzunehmen", so Kong, die als Kind koreanischer Einwanderer in Deutschland aufgewachsen ist. Es gehe ihr darum, für die deutschsprachige Gemeinde als Pfarrerin gerade auch in unruhigen Zeiten eine beständige Ansprechpartnerin zu sein.
"Nicht von Angst leiten lassen"
Auch mit Blick auf eine mögliche Kriegsgefahr bleibt Kong ruhig. "Ich versuche mich nicht von einer Angst leiten zu lassen. Angst lähmt. Vielleicht hilft mir gerade der Glaube in dieser Zeit zu sagen: Gott lenkt und führt", betont Kong im Gespräch mit katholisch.de. Sie versuche, das zu beeinflussen, was sie beeinflussen könne: "Und das heißt, meine Arbeit aufzunehmen und für die Menschen in und um die Gemeinde da zu sein."
Die beiden deutschsprachigen Kirchengemeinden in Seoul existieren bereits seit mehreren Jahrzehnten; die evangelische Gemeinde wurde 1977 gegründet, die katholische Gemeinde folgte 1986. Die meisten Gemeindemitglieder sind Menschen, die aus beruflichen Gründen für einige Jahre in Südkorea arbeiten und fern der Heimat Gemeinschaft und Begleitung suchen. In der Regel bieten beide Gemeinden jeden Sonntag Gottesdienste an, außerdem gibt es ein vielfältiges Gemeindeleben und einen regen ökumenischen Austausch. Die Gottesdienste in der katholischen Gemeinde werden meist von 50 bis 60 Gläubigen besucht.