Staatssekretär Pietro Parolin kommt am Montag in den Kreml

Der Pontifex schickt einen Brückenbauer nach Moskau

Veröffentlicht am 19.08.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Russland

Bonn ‐ Am Montag reist zum dritten Mal überhaupt ein Kardinalstaatssekretär nach Moskau. Pietro Parolins Mission ist heikel: Er soll den Einfluss des Heiligen Stuhls stärken - und die Türen für einen anderen Gast öffnen.

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Wladimir Putin bekommt hohen Besuch aus dem Vatikan: Am Montag reist Franziskus' Chefdiplomat nach Russland. Beobachter werten den Besuch von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin schon jetzt als historisch. Die fünftägige Reise gilt als Zeichen für eine weitere Annäherung zwischen Rom und Moskau, deren Verhältnis in den vergangenen Jahrzehnten schwierig blieb – sowohl politisch als auch kirchlich. Volle diplomatische Beziehungen nach Moskau unterhält der Vatikan erst seit 2009. Ein Kardinalstaatsekretär, die Nummer zwei im Vatikan nach dem Papst, kam zuletzt 1999 nach Moskau. Ein Papst hat die russische Hauptstadt noch nie betreten.

Parolin hält Differenzen für überbetont

Dass der Gast aus Rom Putin in dem Gespräch, das am Mittwoch in Sochi am Schwarzen Meer geplant ist, zu einem Einlenken in der Ukraine und Syrien bewegen kann, scheint zwar ausgeschlossen. Das gelang auch Franziskus in seinen zwei Begegnungen mit dem Kreml-Chef nicht, den er 2013 und 2015 zur Privataudienz empfing. Doch der Vatikan will im Konflikt zwischen Putin und dem Westen offenbar zumindest sein Gewicht als informeller Vermittler in die Waagschale werfen. Er werde als Mitarbeiter des Papstes nach Russland kommen, "der Brücken bauen möchte", erklärte Parolin im Juli. Er kritisierte, dass die Differenzen zwischen Moskau und dem Westen heute oft überbetont würden, "als ob es sich um zwei unterschiedliche Welten handele". Wie der Vatikan vorgehen will, sagte der erfahrene Diplomat des Heiligen Stuhls allerdings nicht.

Vatikan-Staatssekretär Kardinal Pietro Parolin im Porträt
Bild: ©KNA

Als dritter Kardinalstaatssekretär wird Pietro Parolin am Sonntag den Kreml besuchen.

Für eine Vermittlerrolle dürfte den Vatikan bei Putin empfehlen, dass er im Konflikt zwischen Moskau und dem Westen auf Kritik an der Militärhilfe Russlands für das syrische Regime verzichtete. Auch der Papst, der sonst nicht jedes Wort auf die Goldwaage legt, verlor über Putin kein schlechtes Wort - im Gegensatz zu Trump, den er zumindest indirekt kritisierte. Im Ukraine-Konflikt beschränkte sich Franziskus darauf, die Einhaltung des internationalen Rechts anzumahnen, ohne Russland direkt oder indirekt als Aggressor zu verurteilen. Die Katholiken in der Ukraine warfen dem Papst sogar öffentlich eine Parteinahme zugunsten Russlands vor, weil er den Konflikt anfangs als "Brudermord" bezeichnet hatte. Damit habe er einen Begriff der russischen Propaganda übernommen, so die Kritik. Seither verzichtet Franziskus auf diesen Ausdruck.

Als Vermittler ist Parolin auch im kirchlichen Raum gefragt: Das seit jeher schwierige Verhältnis zwischen dem russisch-orthodoxen Patriarchat und der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine ist seit dem Ukraine-Konflikt auf dem Tiefpunkt angelangt. Auch das Verhältnis zwischen katholischer und russisch-orthodoxer Kirche ist nach dem historischen Treffen zwischen Franziskus und Kyrill I. auf Kuba 2016 weiter angespannt. Die gemeinsame Erklärung, die beide aus diesem Anlass unterzeichneten, klammerte wesentliche Streitpunkte aus. Das Dokument konzentrierte sich im Wesentlichen auf Themen wie die Christenverfolgung, die kein großes ökumenisches Konfliktpotenzial bergen.

Linktipp: Kirchenexperte: Kyrill I. eifersüchtig auf den Papst

Bei den Russen ist Papst Franziskus beliebt - so beliebt, dass der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. eifersüchtig sei, meint Kirchenexperte Roman Lukin. Und noch etwas gefalle Kyrill nicht.

Parolin ist der dritte Kardinalstaatsekretär, der Moskau besucht. Zuletzt weihte Angelo Sodano 1999 die katholische Kathedrale der russischen Hauptstadt neu, sein Vorgänger Agostino Casaroli traf 1988 in Moskau mit Michael Gorbatschow zusammen. Anlass waren damals die Feierlichkeiten zur Christianisierung Russlands vor 1000 Jahren.

Dass bislang noch kein Papst nach Moskau kam, erklärt sich kurzgefasst so: Zunächst glaubte man nicht dasselbe. Die orthodoxen Kirchen spalteten sich im sogenannten Morgenländischen Schisma 1054 von der katholischen Kirche ab. Später glaubten die Machthaber in Moskau gar nichts mehr: Die Kommunisten brachen nach der November-Revolution 1917 jeglichen Kontakt zum Vatikan ab und unterdrückten die Kirchen. Und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion glaubte die russisch-orthodoxe Kirche schließlich, die katholische Kirche wolle ihr Gläubige abspenstig machen. Anlass war die Errichtung von vier katholischen Bistümern in Russland im Jahr 2002. Hinzu kommt, dass Katholiken im orthodox geprägten Russland nur eine Minderheit bilden.

Kommt auch Franziskus nach Moskau?

Und könnte Franziskus der erste Papst im Kreml werden? Spekulationen, Parolin reise als Türöffner für seinen Chef nach Moskau, widersprach der Kardinalstaatssekretär. Die Vorbereitung einer Moskau-Reise des Papstes gehöre nicht zu den Zielen seiner Reise. Er hoffe jedoch, dass sein Besuch "mit Gottes Hilfe einen Beitrag in diese Richtung leisten kann", so Parolin. Franziskus selbst hatte im April erklärt, er könne derzeit nicht nach Russland reisen, weil er dann auch die Ukraine besuchen müsse.

Ob Putin und Kyrill I. zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt ein Interesse an einem solchen Besuch hätten, steht ohnehin auf einem anderen Blatt. Ein Vertreter der Akademie der Wissenschaften in Moskau äußerte kürzlich die Einschätzung, Putin würde den Papst gerne als "geistigen Unterstützer seiner Politik" vereinnahmen, Kyrill I. hingegen habe kein Interesse daran, weil er eifersüchtig auf Franziskus' Beliebtheit in Russland sei.

Von Thomas Jansen