Eine neue Internetseite der US-Zeitung Boston Globe

Alles, was katholisch ist

Veröffentlicht am 16.09.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Medien

New York ‐ Verheiratete katholische Pfarrer, Polygamie, die Ordination eines Todkranken, eine Kolumne über die Frage "Why I am catholic" – "Warum ich Katholik bin" – das ist das Themenspektrum an einem Tag im September auf der Website cruxnow.com. Die Seite ist da erst wenige Tage alt, und die Tageszeitung Boston Globe, die das neue Portal eingerichtet hat, nennt sie ein "unkonventionelles Unterfangen".

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"All things catholic" – "Alles, was katholisch ist" lautet der Leitspruch der Internetausgründung der renommierten Bostoner Tageszeitung. "Wir haben die journalistische Notwendigkeit gesehen, mehr über die Kirche zu berichten und zu diskutieren", erklärt Globe-Herausgeber Brian McGrory. Geschehen soll das auf objektive Weise. "Ich stelle mir vor, dass Crux der Marktplatz der katholischen Kirche ist, ein Platz, auf dem alle Stimmen gehört werden", sagt John Allen, der seit Jahren vor allem für katholische Medien aus dem Vatikan berichtet, und jetzt als Mit-Herausgeber von Crux fungiert.

Möglichst viele Menschen ansprechen

Es soll um die Kirche gehen, aber auch um das Leben und den Glauben. "Unser Ziel ist es, möglichst viele anzusprechen", beschreibt David Skok, Berater für digitale Medien, das Projekt. Vatikan-Reporter Allen hat dabei mehrere Leserschichten vor Augen: den Gläubigen, den "Gelegenheits"-Katholiken und denjenigen, der zwar nicht katholisch, aber am neuen Papst und dem Geschehen in der Kirche interessiert ist.

Dass vor allem Letztere immer mehr werden, seit Papst Franziskus im Vatikan angetreten ist, davon ist man beim Boston Globe überzeugt. "Jetzt ist die beste Zeit, um eine Internetseite wie diese zu installieren", sagt McGrory. "Papst Franziskus ist ein Meister der Integration, Offenheit und sozialen Gerechtigkeit. Er hat das Interesse am katholischen Glauben, am Glauben generell neu geweckt."

Keine ideologischen Scheuklappen

So streng, wie es der Name Crux, Kreuz, nahelegt, wird es auf der Internetseite nicht zugehen. Im Gegenteil, es soll, verspricht McGrory, keine ideologischen Scheuklappen bei der Berichterstattung geben. Dazu gehört die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene. Oder die in den USA seit Jahren kontrovers geführte Debatte über Abtreibung und die Ehe für Homosexuelle.

Ob das allen gefällt, etwa dem Erzbistum Boston? Kardinal Sean P. O'Malley nahm jedenfalls jetzt an einer Auftaktveranstaltung von Crux als Podiumsgast teil. O'Malley gilt als liberal und ist soeben zum Chef einer neuen Vatikan-Kommission berufen worden, die sich mit dem sexuellen Missbrauch durch Priester befassen soll. Es ist das Thema, das den Boston Globe bislang in erster Linie mit der Kirche verband: 2002 deckte die Zeitung den Sex-Skandal und ein Vertuschen durch die Kirche auf, weitere Fälle im ganzen Land folgten, die US-Kirche stürzte in eine tiefe Krise.

Es wäre darum auch zu viel gesagt, beim Globe sei eine neue Liebe zur Kirche entbrannt. Für die Tageszeitung geht es schlicht ums Überleben. Seit Jahren befinden sich die Auflagen amerikanischer Zeitungen im Sinkflug, viele Titel sind bereits vom Markt verschwunden. Der Boston Globe ist zwar eine der angesehensten und besten Zeitungen in den USA mit einer täglichen Auflage von mehr als 250.000. Doch die Zukunft sieht nicht allzu vielversprechend aus, und so sucht das Medienhaus, das seit einem Jahr dem Baseball-Clubbesitzer John Henry gehört, sein Heil in der Diversifizierung.

Für die Zeitung geht es ums Überleben

Die Idee ist, über Websites mit thematischen Schwerpunkten neue Leserschichten zu erschließen. Es gibt bdcwire.com als alternativen Führer durchs Bostoner Kunst-, Musik- und Nachtleben, betaboston.com als Anlaufstelle für Internet- und Technikfreaks sowie bostonglobe.com, das die Zeitung in digitalisierter Form darstellt (für die der online-Leser bezahlen muss), ergänzt durch boston.com, eine (kostenlose) Nachrichtenseite. Und nun also gesellt sich Crux als digitale Neugeburt dazu. Finanziert werden soll das Projekt allein über Anzeigen, ein Unterfangen, das Medienexperten für gewagt halten. Bleibt der Papst als Hoffnungsträger – auch für die Zeitungsbranche.

Von Stefanie Ball (KNA)