Pater Klaus Mertes über künstliche Intelligenz

Das Ende des Homo sapiens?

Veröffentlicht am 31.08.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Pater Klaus Mertes über künstliche Intelligenz

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Seit Monaten steht ein Buch des Bestseller-Autors Yuval Harari in den Buchläden auf den sichtbarsten Plätzen: "Homo Deus - eine Geschichte der Zukunft." Darin entwirft der Autor das Bild einer Welt, wie sie aussehen könnte, wenn es durch die weitere Entwicklung und Perfektionierung künstlicher Intelligenz gelungen sein wird, etwas besseres als den Menschen zu erschaffen. Dass es so kommen wird, ist für Harari so sicher wie das Amen in der Kirche. Gelegentlich ist bei dem Autor auch so etwas wie Bedauern über diese Aussichten zu spüren. Mehr aber auch nicht. Er meint, dass es so kommen wird, und hat dem auch nichts Substantielles entgegenzusetzen.

Harari meint nämlich, dass der "Vertrag der Moderne" darin bestehe, dass "die Menschen auf Sinn verzichten und im Gegenzug dafür Macht erhalten", schließlich auch Schöpfermacht durch die Konstruktion eines künstlich-intelligenten Supersystems, das die Schwächen des Homo sapiens überwindet. Der Mensch übersteigt sich selbst und treibt so die Evolution weiter. Anderes ist auch nicht mehr denkbar, wenn man die Sinn-Kategorie aus der gesamten Evolutions- und Menschheitsgeschichte herausstreicht beziehungsweise in Algorithmen auflöst, wie Harari das tut - und mit ihm viele Technikbegeisterte, die nicht so weit denken wie Harari und zum Beispiel meinen, auch die Allgemeinwohlorientierung der neuen Techniken ließe sich in Algorithmen auflösen und auf Maschinen programmieren. 

Jedenfalls: Als ich das Buch beiseitelegte, fragte ich mich: Was bedeuten solche Szenarien für meinen Glauben? Doch dies: Wir bekennen, dass wir Christus erwarten, "der wiederkommen wird in Herrlichkeit zu richten über die Lebenden und Toten." Ich verzichte nicht auf Sinn um den Preis von Macht. Es gibt sogar Sinnerkenntnisse, die ich nur gewinne, wenn ich die Totalität der Machtperspektive hinter mir lasse. Künstliche Intelligenz wird unser Leben in den nächsten Jahrzehnten radikal verändern, gewiss. Aber die Orientierung dieser Entwicklung am Nächstenliebegebot wird uns Menschen, selbst wenn wir dies wollten, niemand abnehmen - auch nicht Ethik-Spezialisten oder ethisch programmierte Maschinen. Die naiven Technikbegeisterten à la Kevin Kelly oder die zynischen Universalhistoriker à la Yuval Harari machen mir da nichts vor. Am Ende der Menschheitsgeschichte steht nicht ein Superhirn, das wir erschaffen haben, sondern der Schöpfer, der uns zur Verantwortung zieht. Gott sei Dank.

Von Pater Klaus Mertes

Der Autor

Der Jesuit Klaus Mertes ist Direktor des katholischen Kolleg St. Blasien im Schwarzwald.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.