Kolumbien vor Papstreise: Waffenruhe vereinbart
Papst Franziskus hat die Kolumbianer kurz vor Beginn seiner Reise in das Land für ihre Friedensbemühungen gelobt. "Kolumbien sucht den Frieden und arbeitet dafür seit langer Zeit", sagt Franziskus in einem am Montagabend vom Vatikan veröffentlichten Video. Das Kirchenoberhaupt beginnt seine sechstägige Reise nach Lateinamerika am Mittwoch. Sie steht unter dem Motto "Tun wir den ersten Schritt".
Es gelte immer wieder, dies zu tun – "die ersten sein, die lieben, Brücken bauen, Brüderlichkeit schaffen", erklärt der Papst in seiner Botschaft. Die heutige Welt brauche Berater, die auf Frieden und Dialog setzten; auch die Kirche sei gefordert. Dabei gehe es nicht nur um die Versöhnung der Menschen untereinander. Ebenso ruft Franziskus zu einer Versöhnung zwischen Mensch und Umwelt auf. Denn die Schöpfung Gottes werde vom Menschen auf unkontrollierte Weise ausgebeutet.
Bereits kurz vor Veröffentlichung der Papstbotschaft hatten sich die Regierung und die linksextremistische Guerillaorganisation ELN auf einen vorübergehenden Waffenstillstand geeinigt. Vom 1. Oktober bis zum 12. Januar kommenden Jahres sollen die Waffen schweigen, wie der kolumbianische Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos am Montagmorgen mitteilte. Ob auch schon während des am Mittwoch beginnenden Papstbesuches die Waffen schweigen, war zunächst unklar.
Die Kirche soll die Waffenruhe überwachen
Die ELN verpflichte sich, die Entführungen, Anschläge auf Pipelines und Angriffe gegen Zivilisten einzustellen. Später könnte die Waffenruhe verlängert werden. Der Waffenstillstand soll von den Vereinten Nationen und der katholischen Kirche überwacht werden. Die ELN und die Regierung verhandeln derzeit in Ecuador über ein Friedensabkommen.
Die weitaus größere Guerillaorganisation Farc unterzeichnete bereits im vergangenen Jahr einen Friedensvertrag, legte die Waffen nieder und wandelte sich zu einer politischen Bewegung. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften, linken Rebellen und rechten Paramilitärs wurden in Kolumbien seit Mitte der 1960er Jahre mehr als 220.000 Menschen getötet und Millionen vertrieben.
Themenseite: Papstreisen
Als Oberhaupt der katholischen Kirche absolviert Papst Franziskus regelmäßig Reisen innerhalb Italiens und in andere Länder. Diese Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zu den Reisen des Heiligen Vaters."Der Papst besucht uns zu einem einzigartigen Zeitpunkt in unserer Geschichte. Wir schlagen das Kapitel des absurden Konflikts zu und schauen mit Hoffnung in die Zukunft", sagte Präsident Santos am Montag. Auch die ELN begrüßte den Besuch des Pontifex. "Der Besuch von Franziskus in Kolumbien ist eine Chance, die Hoffnung auf Versöhnung zu bekräftigen", hieß es in einer Stellungnahme der Rebellen.
Franziskus selbst erklärte in seiner Videobotschaft, er komme als "Pilger von Hoffnung und Frieden", um gemeinsam mit dem Volk den Glauben zu feiern und von der "Nächstenliebe und Hartnäckigkeit bei der Suche nach Frieden und Harmonie" der Kolumbianer zu lernen. Es sei ihm eine Ehre, ein solch bedeutendes und an Glauben reiches Land zu besuchen.
Adveniat-Chef sieht Frieden als Aufgabe der Hilfswerke
Auf Einladung der kolumbianischen Bischofskonferenz wird auch Adveniat-Geschäftsführer Pater Michael Heinz an der Papstreise teilnehmen. Im Interview mit dem Kölner Domradio vom Dienstag bezeichnete er den Versöhnungsprozess als wesentliche Aufgabe auch für die kirchlichen Hilfswerke im Land. "Wir müssen die Menschen zusammenzubringen", so der Pater. Adveniat, das Lateinamerika-Hilfswerk der deutschen Bischöfe, unterstütze beispielsweise ein Projekt mit Trauma-Bearbeitung und Vergangenheitsbewältigung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nach der Flucht vor Gewalt und Krieg in den Armenvierteln gestrandet seien.
Adveniat beteiligt sich laut Heinz auch an der nationalen Versöhnungskommission. Diese habe ermöglicht, dass sich Opfer und ehemalige FARC-Kämpfer während der Friedensverhandlungen begegneten und sich ausgetauscht hätten. Für Heinz sei dies ein wichtiger Punkt: Menschen, die verfeindet waren, konnten nach seinen Worten plötzlich sehen, "dass es nicht nur Opfer und Täter gibt, sondern dass auch Täter oftmals selbst Opfer sind".
Theologe: Menschen wollen keine Friedensappelle mehr hören
Zurückhaltend äußerte sich am Dienstag der Befreiungstheologe Fernando Torres Millan über die Friedensbemühungen in Kolumbien. Die Menschen seien kaum mehr gewillt, Aufrufe zu Frieden, Vergebung und Versöhnung zu hören, sagte Torres in Bogota. Demgegenüber bekundete er Hoffnung, dass Franziskus als "Stimme höchster moralischer und spiritueller Autorität" auf Resonanz stoße.
Jedoch komme der Papst in ein gesellschaftlich kritisches Umfeld. Kolumbien sei heute "ungerechter, unsolidarischer, korrupter und gewaltsamer" als noch beim Besuch Johannes Pauls II. 1986, sagte Torres. Die von Franziskus angestoßenen kirchlichen Reformen fänden bei den Katholiken des Landes ein geteiltes Echo; ähnlich sei die kolumbianische Kirchenleitung in der Frage des Friedensabkommens zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla gespalten. (kim/KNA/dpa)