Versemmelt es nicht!
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Franziskus ist zurück in Rom, die Tage in Kolumbien waren intensiv, freudig, bekenntnisreich und tränenschwer, voller Ermahnungen und voller Hoffnung. Eine schwierige Reise war es aus vatikanischer Sicht nicht. Im immer noch zu 80 Prozent katholischen Kolumbien ist der Papst ein von fast allen bejubelter Gast. Die Herausforderungen dort rühren nicht an Spannungen interreligiöser Art, wie sie die nächste Papstreise nach Myanmar und Bangladesch prägen werden. Auch ein Papst in Israel, der Türkei oder den USA ist ein hundertmal heikleres Terrain.
Wer Großkonflikte, wie heute mancherorts üblich, gern auf religiöse Zugehörigkeiten zurückführt, darf nicht nach Kolumbien schauen, sonst wankt das Weltbild. Dort verlaufen die Konflikte wie meist in Lateinamerika nicht entlang von Religions-, sondern entlang von Sozialgrenzen. In Kolumbien haben sich ein halbes Jahrhundert lang auch bekennende Katholiken gegenseitig die Köpfe eingeschlagen, beraubt, entführt, erpresst. Arme wollten heraus aus der Armut, Reiche bestanden auf ihren Rechten, alle "verteidigten" sich mit Gewalt, am Ende standen acht Millionen Opfer. Jeder und jede sechste in Kolumbien ist Opfer.
Und beim Papstbesuch? Man konnte wirklich den Eindruck haben, die vom Krieg gebeutelten Menschen nahmen sich die Beschwörungen des Papstes zu Herzen: Herauskommen aus der "Finsternis der Rachsucht und des Hasses". Das eigene Leid nicht verdrängen, aber dem Täter vergeben, irgendwie. Auf der Hut sein vor den alten Reflexen. Und, Mahnung an die fast durchweg konservativen Bischöfe Kolumbiens: Dient euch nicht den Mächtigen an – wie damals dem Law-and-Order-Präsident Uribe, der den Frieden mittels Mord an Rebellen erlangen wollte. Friedhofsfrieden. Garant für noch mehr Krieg.
Das Abkommen mit den marxistischen FARC-Rebellen ist ein Jahr alt. Bald soll auch ein von der Kirche mitvermittelter Waffenstillstand mit der ELN-Guerilla beginnen. Das sind sehr gute Nachrichten in einer Welt, die – Syrien, USA und Nordkorea – lang nicht mehr so knapp am Abgrund zu stehen schien. Von außen sieht jeder in Kolumbien eine Riesenchance, eine Chance, die das Land, auch das ein Vorteil, nur selber von innen lösen kann. Innen aber nagt der Wurm des Misstrauens. Die Hälfte der Kolumbianer glaubt nicht an den Frieden. Deshalb ist der Erfolg der Papstreise nicht am Applausometer zu messen, sondern an den Entwicklungen der nächsten Zeit. Kolumbien hat – nach 50 Jahren! - eine reale Chance auf Frieden. Franziskus, reduziert auf einen Satz: Bitte versemmelt es nicht.