Polen rührt an alten Wunden statt neuen Problemen
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Wenn 72 Jahre nach Kriegsende plötzlich Reparationsforderungen auftauchen, sagt das mehr über das aktuelle Verhältnis zweier Staaten aus als über damals verübte Kriegsverbrechen. Es passt in die aktuelle politische Landschaft, dass Polens Regierungschefin Beata Szydlo, gestützt auf ein von der Regierungspartei PIS in Auftrag gegebenes Gutachten, lautstark die Auffassung vertritt, dass Deutschland auch 2017 noch zu Ausgleichszahlungen verpflichtet sei.
Angesichts großer innenpolitischer Probleme braucht die polnische Regierung Themen, bei denen sie sich des Rückhalts in der Bevölkerung sicher sein kann. Die Schwierigkeiten mit Europa in der Flüchtlingsfrage, aber auch andere Probleme, lassen sich so gut überspielen und stoßen auf breite Akzeptanz. Gut, dass die polnischen Bischöfe sich nicht vor diesen Karren spannen lassen und davor warnen, die Beziehungen durch "gedankenlose Entscheidungen und sogar durch übereilt ausgesprochene Worte" zu gefährden.
Die Versöhnung zwischen Polen und Deutschen war insbesondere durch die beiden Kirchen vorangetrieben worden. Der berühmte Schriftwechsel mit den Worten "Wir vergeben und bitten um Vergebung" hat maßgeblich dazu beigetragen, das deutsch-polnische Verhältnis zu verbessern. "Wir haben jetzt die Pflicht und das Recht darauf hinzuweisen, dass diese Errungenschaften nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfen, sondern fortgesetzt werden müssen", sagt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der Vorsitzender der deutsch-polnischen Kontaktgruppe ist. Die Katholiken beider Länder müssen auch heute Besonnenheit wahren und an der fragilen Freundschaft weiter arbeiten, um so auch einen Beitrag für die Stabilisierung Europas zu leisten. Das Unrecht und die Greuel des Krieges sollen deswegen nicht geleugnet werden. Aber die Gegenwart und die Zukunft beider Länder müssen weiterhin von der Bereitschaft zur Versöhnung, zu Vergebung und der Bitte um Vergebung geprägt sein.