Zehntausende Polen beten an den Landesgrenzen

Unter Marias Schutz und Schirmen

Veröffentlicht am 08.10.2017 um 15:45 Uhr – Lesedauer: 
Polen

Zgorzelec ‐ Ein schmuddeliger Herbsttag an der deutsch-polnischen Grenze. Wo sonst Touristen flanieren, stehen tausende Einheimische - und beten den Rosenkranz. Mancher aus Dankbarkeit, aber viele wohl auch aus Angst.

  • Teilen:

Es ist schmuddelig an diesem Samstag. Nieselregen hüllt die Betenden ein. Sie stehen vor dem letzten unsanierten Haus in Zgorzelec am linken Ufer der Neiße, der natürlichen Grenze zwischen Polen und Deutschland. Bei schönem Wetter spazieren hier Touristen oder sitzen in den Straßencafés und Restaurants entlang der Flaniermeile am Neißeufer. Heute sind rund 600 Gläubige gekommen, alle halten einen Rosenkranz in der Hand und beten: "Święta Maryjo, Matko Boża, módl się za nami grzesznymi" - "Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder". Dutzende Male wird die Zeile im Rosenkranzgebet wiederholt.

Die Betenden in Zgorzelec sind an diesem Samstag nicht allein. Eine Million Betende wollte die Warschauer Stiftung "Solo Dios Basta" ("Gott allein genügt") animieren, entlang der Außengrenze Polens den Rosenkranz zu beten. 150.000 Menschen haben sich schließlich auf der Webseite der Aktion angemeldet, rund 1.000 allein in der Grenzstadt Zgorzelec. Nach Angaben der Veranstalter sollte das Rosenkranzgebet an diesem Samstag ein "leuchtender Ring" des Gebetes für den Schutz des Landes und der Welt werden. Die von katholischen Laien gegründete Stiftung will mit dem Massengebet der Gottesmutter Maria "Treue und Gehorsam zollen". "Wir wollen uns auch entschuldigen und jegliche Gotteslästerung wiedergutmachen", so die Initiatoren.

Die Aktion wurde aber auch scharf kritisiert. Durch die Gebetskette entlang der polnischen Außengrenze und an den Flughäfen solle die Abschottung Polens symbolisiert und gefestigt werden, werfen Kritiker den Initiatoren vor. Auch in der polnischen Bischofskonferenz war die Gebetsaktion nicht unumstritten. Die Initiatoren betonen auf ihrer Webseite ausdrücklich, dass das Rosenkranzfest am 7. Oktober an die Seeschlacht von Lepanto erinnere, "die Europa vor der Islamisierung rettete". Die liberale Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" berichtete, dass in der Flughafenkapelle in Posen (Poznan) ausdrücklich um "Schutz vor Russland und dem Islam" gebetet werden solle.

Schwester Krystina: "Der Rosenkranz ist mir eine Herzensangelegenheit".
Bild: ©katholisch.de/Markus Kremser

Schwester Krystina: "Der Rosenkranz ist mir eine Herzensangelegenheit".

Diese Intention mag Schwester Krystina nicht teilen. "Der Rosenkranz ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich will Maria um Fürsprache bei Jesus bitten, um alle Gnadengaben für unsere Familien, um Liebe und Frieden", sagt die 54-Jährige, die in Zgorzelec geboren ist. Sie kennt das Leben an der Außengrenze. Die deutsche Sprache lernte sie aber erst, als sie einige Jahre in Österreich lebte, erzählt sie. Schwester Krystina hält dabei ihren Schleier fest, der im stürmischen Herbstwind um ihren Kopf flattert.

Mit Sondertickets zum Grenzgebet

Wie die Ordensschwester sind am Morgen rund 1.500 Gläubige zu St. Josef gekommen, der größten Kirche der Stadt, in der die Heilige Messe zum Auftakt der Rosenkranzaktion stattfindet. Anschließend sammeln sich die Beter in verschiedenen Gruppen an drei Punkten entlang der deutsch-polnischen Grenze. Die Beter kommen nicht nur aus der näheren Umgebung. In Autos und Bussen sind viele aus dem Landesinneren hierher an den westlichen Rand Polens gekommen. Im Norden des Landes, rund um Danzig und Stettin, unterstützt sogar die Nahverkehrsgesellschaft die Gebetsaktion. Gläubige können mit einem speziellen Ticket für nur einen Zloty (0,24 Euro) zu den Gebetsorten und wieder zurück fahren.

Krzystof Bartoszewicz mit seiner Frau Marya: "Der Rosenkranz hat mich geheilt".
Bild: ©katholisch.de/Markus Kremser

Krzystof Bartoszewicz mit seiner Frau Marya: "Der Rosenkranz hat mich geheilt".

Krzystof Bartoszewicz ist aus dem 100 Kilometer entfernten Liegnitz (Legnica) gekommen. Der 66-Jährige fällt inmitten der Gläubigen sofort auf. Er trägt einen überdimensionalen Rosenkranz um den Hals, das Kruzifix am Ende der Kette hält er in der Hand. "Ich bin hier, weil ich vor 18 Jahren zu Gott gefunden habe", sagt Bartoszewicz: Seit 1999 trinke er nicht mehr, Gott habe ihn geheilt. Seine Rettung sei das Rosenkranzgebet gewesen.

3.000 Riesen-Rosenkränze als Geschenk

Die Gebetskette um seinen Hals hat er selbst gemacht und war seither viel mit ihm unterwegs. Auf Pilgerfahrten in Polen und auch schon in Medjugorje habe er den Riesen-Rosenkranz stets dabei gehabt. Außerdem habe er über 3.000 weitere Exemplare hergestellt, seit er trocken sei. "Nein, eine Werkstatt habe ich nicht. Das ist eine Art Hobby", sagt Krzystof Bartoszewicz und berichtet, dass viele seiner überdimensionalen Rosenkränze von Kirche zu Kirche weitergereicht würden. Und auch das ist ihm wichtig: Jeden Rosenkranz bete er mindestens einmal selbst, bevor er ihn verschenkt.

So viel privates Gebetsengagement dürfte auch den Veranstaltern gefallen. Nach ihrem Willen soll die Gebetsaktion zwar das Ende der Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Erscheinungen von Fatima darstellen, aber zugleich das Rosenkranzgebet neu beleben. Die Gläubigen seien aufgerufen, auch zu Hause weiter den Rosenkranz zu beten; an jedem ersten Samstag in den kommenden fünf Monaten. (mit Material von KNA)

Von Markus Kremser