Schwester M. Salome Zeman über das Sonntagsevangelium

Wo sehe ich Gottes Bild?

Veröffentlicht am 21.10.2017 um 17:45 Uhr – Lesedauer: 
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Bonn ‐ In der dunklen Jahreszeit sieht Schwester Salome Zeman auf ihrem Heimweg auch mal finstere Gestalten. Mit Blick auf das Evangelium zeigt sie auf, wie man in allen Menschen Gottes Antlitz erkennen kann.

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Impuls von Schwester M. Salome Zeman

Dieses Semester besuche ich häufig am Spätnachmittag und Abend noch Veranstaltungen an der Uni, und wenn ich nach Hause gehe, ist es jetzt im Herbst oft schon dunkel. Der Weg ist nicht weit, aber an manchen Tagen bin ich ängstlich, schaue mich genau um, fühle mich beobachtet, und beobachte meinerseits kritisch alle, an denen ich vorbeikomme. Vielleicht will mir jemand etwas Böses? Taschendiebereien bis hin zu Vergewaltigung und Mord sind in Freiburg, wo ich wohne, leider nicht unbekannt.

Zum Glück bin ich nicht jeden Tag so ängstlich, und an den meisten Abenden genieße ich die frische Luft, lächle die Menschen an und bekomme oft genug ein Lächeln zurück. An diesen Tagen gibt es keine Taschendiebe, Vergewaltiger und Mörder, sondern nur Menschen, die wie ich abends noch in der Stadt unterwegs sind. Auch die finsteren Gestalten wirken weit weniger finster, wenn ich ihnen ein Lächeln entlocken kann oder sogar einen Gruß.

Was hat das mit dem Evangelium zu tun, das doch eigentlich nach der Rechtmäßigkeit der Kaisersteuer im Römischen Reich fragt, oder sich zumindest um die Beziehung Jesu zu den Pharisäern dreht? Nichts, möchte ich sagen. Aber eben doch alles. Der Schlüssel liegt für mich in den letzten Sätzen Jesu: "Wessen Bild und Aufschrift ist das? … So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!"

Wessen Bild und Aufschrift sehe ich, wenn ich in die Welt blicke? Und vor allem: Wo sehe ich Gottes Bild und Gottes Aufschrift?

Wir Menschen sind als Bild und Abbild Gottes geschaffen, also kann ich, wenn ich in die Gesichter meiner Mitmenschen blicke, immer auch Bild und Abbild Gottes erkennen. Zugegeben, bei manchen scheint dieses Bild Gottes schwerer erkennbar als bei anderen, und an manchen Tagen ist es mir fast unmöglich, Gott überhaupt in irgendetwas zu erkennen. Aber er ist da. Sein Bild läuft täglich tausendfach durch die Stadt. Das einzige, was ich damit tun muss ist das: Gebt Gott, was Gott gehört! Mein Job ist es, Gott die Menschen, denen ich begegne, zu geben, hinzuhalten, denn in ihnen begegnet er mir, ob ich das nun auf den ersten Blick erkenne oder erst auf den zwanzigsten oder überhaupt nicht.

"Die Welt ist Gottes so voll", schreibt der Jesuit Alfred Delp in einem seiner Briefe, als er im Gefängnis auf seinen Prozess wartet. Wenn Alfred Delp das im Gefängnis glauben konnte, wo niemand mehr war, der ihm Hoffnung schenken konnte, wie viel mehr kann ich dann an dunklen Abenden in der Stadt das glauben, und lernen, Gott in der Welt zu erkennen, und ihm zurückzugeben, was ihm sowieso schon gehört.

Von Sr. M. Salome Zeman OSF

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 22, 15-21)

In jener Zeit kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen. Sie veranlassten ihre Jünger, zusammen mit den Anhängern des Herodes zu ihm zu gehen und zu sagen: Meister, wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen; denn du siehst nicht auf die Person.

Sag uns also: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle?

Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Da hielten sie ihm einen Denar hin. Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten: Des Kaisers. Darauf sagte er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!

Die Autorin

Schwester M. Salome Zeman ist Franziskanerin von Sießen, Diplomtheologin und studiert in Freiburg Englisch.

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Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bieten wir jeden Sonntag den jeweiligen Evangelientext und einen kurzen Impuls an. Die Impulse stammen von Ordensleuten und Priestern.