Zwei Suchende auf dem Weg zur Seligsprechung
Frage: Herr Modesto, Romano Guardini (1885-1968) ist einer der bedeutendsten, aber auch bekanntesten Kirchenmänner des 20. Jahrhunderts. Was können Sie als Postulator seines Seligsprechungsverfahrens überhaupt noch über ihn herausfinden?
Modesto: Ob noch eine Vertiefung seiner theologischen Erkenntnisse erfolgen wird, muss man abwarten. Es geht vermutlich eher um den politischen Bereich, beispielsweise seine Visionen für Europa oder sein Buch "Das Ende der Neuzeit" (1950). Daraus zitiert auch Papst Franziskus immer wieder in seinen Schriften. Ich denke, dass man in diesem Feld noch herausarbeiten kann, dass Guardini beinahe schon Prophetisches zur Europäischen Idee gesagt hat. Eine völlige Neuentdeckung wird es sicher nicht sein, aber einige Aspekte werden wir sicher vertiefen. Und wir werden zeigen, welche großen geistigen Leistungen dieser Mann erbracht hat, von denen wir immer noch zehren. Auch darf man gespannt sein, was die Recherche hinsichtlich seiner bislang unveröffentlichten Schriften erbringen wird
Frage: Was bringt dem Theologen Guardini den Ruf der Heiligkeit ein?
Modesto: Dazu gehört vor allem sein Wirken als Seelsorger. Er war einige Jahre Kaplan und da war sein Schwerpunkt die Arbeit mit Jugendlichen, zum Beispiel auf der Burg Rothenfels. Dort hat er junge Gläubige in das Mysterium der Liturgie eingeführt. Er hatte ein Gefühl dafür, wie man Menschen für die Liturgie begeistern kann. Das gab es damals so noch nicht. Das machte ihn auch zu einer wegweisenden Gestalt für die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils. Aber auch Guardinis Predigten und Vorlesungen tragen zu seinem Ruf der Heiligkeit bei. Er hat eine große Hörerschaft an sich gebunden, weil er es geschafft hat, das Christentum mit der Moderne in Verbindung zu bringen. Das hat er zum Beispiel an der christlich ausgerichteten Analyse berühmter Schriftsteller aufgezeigt. Das waren Zugänge, die damals ungewöhnlich waren. Damit hat er viele distanzierte Menschen für das Christentum gewinnen können.
Frage: Nicht nur Franziskus zitiert Guardini, auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist ein großer Freund seines Werks. Macht es Ihre Arbeit leichter, solche Unterstützer zu haben?
Modesto: Es natürlich gut, dass beide Guardini schätzen. Aber die Prozedur der Seligsprechung ist sehr stark reguliert und da dürfte das wenig Einfluss haben. Wir werden natürlich beide Päpste in unseren Unterlagen zitieren. Aber das Verfahren wird ablaufen wie jede andere Seligsprechung auch.
Frage: Kommen wir zu Fritz Gerlich. In den zurückliegenden Jahren wurden in Deutschland einige NS-Märtyrer seliggesprochen. Die meisten waren jedoch Priester. Wie passt der Laie Gerlich in diese Reihe?
Modesto: Diese Frage ist berechtigt, aber birgt die Antwort schon in sich: Es ist gut, darauf hinzuweisen, dass auch Laien aus dem Glauben heraus Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet haben. Fritz Gerlich war einer der ersten Laien, die so zu Märtyrern der NS-Diktatur wurden – er wurde schon am 1. Juli 1934 ermordet, ein sehr frühes Datum. Beim Seligsprechungsverfahren ist es außerdem unerheblich, ob jemand Priester war oder nicht. Es geht allein um die Frage: Hat er oder sie das Martyrium um des Glaubens willen erlitten oder nicht?
Frage: Gerlich trat als Journalist dem Faschismus sehr öffentlich entgegen. Ist er damit vielleicht noch mehr Vorbild für die heutige Zeit als durch sein Martyrium?
Modesto: Man kann das nicht voneinander trennen. Aber dieser Punkt ist wirklich wichtig: Es ist die edelste Pflicht des Journalisten, nach der Wahrheit zu suchen und diese auch auszusprechen, egal ob es gelegen oder ungelegen kommt. Diese Botschaft ist zeitlos gültig. Und gerade im Zeitalter von "Fake News" und "alternative facts" mehr denn je.
Linktipp: "Ein Kirchenvater des 20. Jahrhunderts"
Wenn es um den Theologen Romano Guardini geht, werden schnell Superlative genannt. Katholisch.de hat Menschen, die sich mit ihm beschäftigen, zur Vorbereitung seines Seligsprechungsverfahrens befragt.Frage: Sie vertreten die Seligsprechungsverfahren für beide, den Theologen Guardini und den NS-Widerstandskämpfer Gerlich. Was haben die beiden gemeinsam?
Modesto: Guardini war ein Suchender. Er hatte zunächst Chemie und Volkswirtschaft studiert und dann gemerkt, dass das nichts für ihn ist. Dann erst ist er zur Theologie gekommen und hat diese intensiv studiert, mit Promotion und Habilitation. Bis zum Lebensende hat er sich als Priester gefühlt und als solcher gewirkt und gearbeitet. Und auch Fritz Gerlich prägte die Suche nach dem Glauben. Er wurde in Stettin geboren und dort calvinistisch getauft und erzogen. Im Laufe seines Studiums in München ist er mit der süddeutschen Frömmigkeit in Berührung gekommen. Da hat er auch mit Sympathie die Verhandlungen über das bayerische Konkordat verfolgt. Ein Wendepunkt in seinem religiösen Leben war die Begegnung mit Therese Neumann – der Mystikerin Resl von Konnersreuth. Gerlich hatte sie eigentlich besucht, "um den Schwindel aufzudecken", wie er sagte. Aber sie hat ihn so beeindruckt, dass er dann ihr Biograph geworden ist. Im Jahr 1931 ist er schließlich zur katholischen Kirche konvertiert.
Frage: Die beiden Seligsprechungsverfahren sollen am 16. Dezember offiziell eröffnet werden. Habe Sie schon eine Vorstellung, wann Sie Ihre Arbeit abschließen können?
Modesto: Das liegt nicht allein in meiner Hand weshalb ich nur ungesicherte Prognosen abgeben kann. Im Fall Gerlichs müssen noch Dokumente in zahlreichen Archiven gesucht und Zeugen gehört werden. Das wird nicht von mir geleistet, sondern von einer Kommission und vom Kirchengericht. Theologische Gutachter müssen dann seine Werke auf Glaube und Sitte prüfen. Und dann wird die zweite Phase des Verfahrens in Rom auch noch einige Zeit dauern. Ich hoffe, dass die Seligsprechung von Fritz Gerlich ungefähr im Jahr 2020 oder 2021 stattfinden wird.
Im Fall Romano Guardini wird es länger dauern, allein schon, weil sein Werk größer ist und mehr Recherche erfordert. Ich peile an, dass wir dieses Verfahren ungefähr im Jahr 2024 abschließen können.