Warum der Karneval am 11.11. anfängt – und direkt wieder endet

Achtung: Die Fastenzeit beginnt!

Veröffentlicht am 11.11.2020 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wissen Sie, warum der Karneval am 11. November beginnt, doch am Ende des Tages wieder auf Eis gelegt wird? Und was hat das mit dem Advent zu tun? Die Antwort liefert ein Blick in die Kirchengeschichte.

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"Am Aschermittwoch ist alles vorbei…" Diese Zeilen sind wohl selbst dem größten Karnevalsmuffel bekannt. Das humoristisch-melancholische Lied aus der Feder von Jupp Schmitz wird traditionell zum Ende der "fünften Jahreszeit" gesungen. Der Text macht deutlich: Die vorösterliche Fastenzeit beginnt, Feiern und überschwänglicher Genuss gehören vorerst der Vergangenheit an. Die Christen früherer Jahrhunderte hätten den Gassenhauer – wäre er damals schon populär gewesen – leicht umdichten können: "Nach St. Martin ist alles vorbei…" Denn der Advent galt wie die vorösterliche Bußzeit einst als strenge Fastenzeit – und ursprünglich begann sie unmittelbar nach dem Martinstag.

Wann genau die Adventszeit in der Kirche eingeführt wurde, lässt sich heute nicht mehr abschließend klären. Da sie der Vorbereitung auf das Geburtsfest Jesu Christi dient, kann sie frühestens ab dem vierten Jahrhundert begangen worden sein. Denn erst ab dieser Zeit hatte sich die Feier des Weihnachtsfestes in der Gesamtkirche weitestgehend durchgesetzt. Als Termin für das Hochfest wählte man den 25. Dezember, was heute unterschiedlich begründet wird. Einerseits mit dem heidnischen Fest des Sonnengottes "Sol Invictus", das an diesem Tag stattfand und als Termin von den Christen für die Feier der Geburt Jesu – als der "wahren Sonne" – übernommen wurde. Ein anderer Erklärungsversuch ist die sogenannte Berechnungshypothese. Demnach wurde das Weihnachtsfest auf jenen Tag gelegt, der neun Monate nach dem 25. März, dem vermuteten Termin der Empfängnis Christi liegt – heute das Hochfest Verkündigung des Herrn.

Lebkuchen, Plätzchen & Co. erst ab Weihnachten:
Bild: ©ji_images/Fotolia.com

Lebkuchen, Plätzchen & Co. erst ab Weihnachten: Früher galt die Zeit vor dem Fest Christi Geburt ebenso wie die Zeit vor Ostern als strenge Fastenzeit.

Wie dem auch sei: Genau wie beim Osterfest, das in der Alten Kirche schon früher als Weihnachten gefeiert wurde, sollte es auch auf das Geburtsfest hin eine Vorbereitungszeit in Form von Fasten und Buße geben. Und wie bei der österlichen Bußzeit diente dafür ein ganz bestimmtes Ereignis als Vorbild: das 40-tägige Fasten Jesu in der Wüste, von dem die Heilige Schrift berichtet (Mt 4,2). Vom Weihnachtstermin am 25. Dezember rechnete man dementsprechend sechs Wochen zurück, sodass die vorweihnachtliche Fastenzeit nach dem 11. November begann. Verschiedene Synoden erließen Gesetze über das gebotene Fasten in diesen Wochen – so etwa die Synode im gallischen Mâcon im Jahr 581, die Fastentage jeweils montags, mittwochs und freitags zwischen 11. November und Weihnachten vorsah.

Sechs Wochen adventliche Buße

Die ursprüngliche Adventszeit – damals "tempus ante natale Domini" ("Zeit vor der Geburt des Herrn") oder "tempus adventus Domini" ("Zeit der Ankunft des Herrn") – war somit prinzipiell sechs Wochen lang. Allerdings wurde sie in der Kirche nicht einheitlich begangen. Von Region zu Region schwankte die Anzahl der Adventssonntage zwischen vier und sechs. Papst Gregor der Große (590 bis 604) sah sich deshalb veranlasst, die Zahl auf vier Sonntage festzulegen – symbolisch für viertausend Jahre, die nach damaliger Auffassung zwischen Sündenfall und der Ankunft des Erlösers lagen.

Gefastet wurde vielerorts weiterhin ab dem 11. November, dem Martinstag. Er markierte das damalige Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres, und es galt, die nicht-Fastenzeit-tauglichen Lebensmittel wie Fleisch, Eier und Milchprodukte an diesem Tag zu verzehren. Mit anderen Worten: Man ließ es sich an St. Martin noch einmal richtig gut gehen. Das lässt sich noch heute an dem Brauch erkennen, am Martinstag ein Festessen wie die Martinsgans einzunehmen.

Die genaue zeitliche Regelung des Advents geht auf den sogenannten "Straßburger Adventsstreit" im elften Jahrhundert zurück. Damals ging es um die Frage, was passiert, wenn der Heilige Abend auf einen Sonntag fällt. Muss der vierte Adventssonntag in diesem Fall eine Woche zuvor gefeiert werden oder fällt er mit Heiligabend zusammen? Weil das in seinem Reich nicht einheitlich gehandhabt wurde, verlangte der römisch-deutsche Kaiser Konrad II. (1027 bis 1039) eine Klärung. Eine von ihm einberufene Synode entschied 1038 zugunsten der kürzeren Variante: Vierter Adventssonntag und Heiliger Abend können zusammenfallen, mit der Vesper dieses Tages beginnt das Weihnachtsfest. Daher liegt der erste Adventsonntag also bis heute stets in der Zeit zwischen dem 27. November und dem 3. Dezember.

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Bild: ©picture alliance/ZUMAPRESS.com/Evandro Inetti

Zwischen Buße und Vorfreude: Am dritten Adventssonntag "Gaudete" und am vierten Fastensonntag "Laetare" können Kleriker anstelle des violetten Messgewands eines in Rosa tragen.

Die Regelung wurde für die gesamte Kirche auf dem Konzil von Trient (1545 bis 1563) bestätigt. Manche Eigentraditionen blieben jedoch erhalten. Der im Erzbistum Mailand gebräuchliche Ambrosianische Ritus und der in Spanien mancherorts übliche Mozarabische Ritus kennen bis heute sechs Adventssonntage; der Advent beginnt dort am Sonntag nach dem Martinstag.

Bußcharakter nicht verloren

Auch wenn seit 1917 das Adventsfasten vom katholischen Kirchenrecht nicht mehr ausdrücklich verlangt wird, hat die Adventszeit prinzipiell ihren Bußcharakter nie verloren. Das endzeitliche Motiv der Wiederkunft Christi – die vom Menschen Buße verlangt – und das weihnachtlich-freudige Motiv der Menschwerdung Gottes prägen gleichermaßen die adventliche Liturgie. Die am dritten Adventssonntag "Gaudete" ("Freut euch") getragene liturgische Farbe Rosa macht das deutlich: Sie symbolisiert – parallel zum vierten Fastensonntag "Laetare" ("Freue dich") – die Freude darüber, dass die Hälfte der Bußzeit und damit des Wartens auf den Erlöser erreicht ist.

Stärker als im Westen hat sich das vorweihnachtliche Fasten in den Ostkirchen erhalten. Als "Philippus-Fastenzeit" bezeichnet man dort die 40-tägige Vorbereitungszeit vor Weihnachten. Benannt ist sie nach dem Apostel Philippus, da sie am Tag nach dessen Gedenktag – im Osten der 14. November – beginnt.

Und die Karnevalisten? Für die ist der 11. November nicht nur Sessionsauftakt, sondern zugleich gewissermaßen ein erster "Veilchendienstag". Denn die Zeit vom 12. November bis Anfang Januar bleibt selbst in den Karnevalshochburgen weitgehend karnevalsfrei. Und das ist nicht nur dem November als Trauermonat und dem besinnlichen Charakter der Vorweihnachtszeit geschuldet, sondern eben auch der alten abendländischen Tradition des Adventsfastens.

Von Tobias Glenz

Linktipp: Advent – Zeit der Vorbereitung

Der Advent ist die vierwöchige Vorbereitungszeit auf Weihnachten. Das Wort kommt vom lateinischen "adventus" und lässt sich mit "Ankunft" übersetzen. Was Sie sonst noch über den Advent wissen müssen, erfahren Sie hier.

Der Artikel erschien erstmals am 10. November 2017 und wurde am 11. November 2020 aktualisiert.