Franziskus fordert von Myanmar Achtung der Menschenrechte

Papst vermeidet den Begriff "Rohingya"

Veröffentlicht am 28.11.2017 um 13:35 Uhr – Lesedauer: 
Papstreisen

Naypyidaw  ‐ Er hat es nicht gesagt: Papst Franziskus sprach bei seiner ersten Rede in Myanmar über die Würde und die Rechte jedes einzelnen Menschen. Damit meinte er auch die Rohingya - ohne sie zu nennen.

  • Teilen:

Papst Franziskus hat in Myanmar zur Achtung der Menschenrechte und damit "jeder ethnischen Gruppe" ermahnt. Die Zukunft des Landes müsse ein Friede sein, "der sich auf die Achtung der Würde und der Rechte eines jeden Mitglieds der Gesellschaft gründet", sagte er am Dienstag in der Hauptstadt Naypyidaw. Frieden und nationale Versöhnung seien nur durch Gerechtigkeit und Einhaltung der Menschenrechte möglich. Mit seinem Besuch wolle er nicht nur die "kleine, aber lebendige katholische Gemeinde" stärken, sondern auch alle, die sich um den Aufbau einer gerechten gesellschaftlichen Ordnung bemühten.

Der Begriff "Rohingya" fiel nicht in der ersten Myanmar-Rede des Papstes, die er am zweiten Reisetag an Vertreter der Zivilgesellschaft und des Diplomatischen Corps richtete. Der Kardinal von Rangun, Charles Maung Bo, hatte dem Papst geraten, dieses Wort zu vermeiden, weil dies Spannungen verstärken könne. Im mehrheitlich buddhistischen Myanmar haben sich in den vergangenen Jahren ethnische und regionale Spannungen auch religiös aufgeladen. Das betrifft nicht nur die muslimisch-bengalische Minderheit im Bundesstaat Rakhine, die seit einigen Jahren international als Rohingya bezeichnet wird.

Interne Konflikte und Feindseligkeiten im Land hätten Leid und tiefe Spaltungen hervorgerufen, die immer noch andauerten, so der Papst weiter. Um Frieden in Myanmar zu erlangen, müsse "die Heilung dieser Wunden eine zentrale politische und geistliche Priorität darstellen", forderte Franziskus.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Er würdigte in dem Zusammenhang Bemühungen der Regierung, besonders die Friedenskonferenz von Panglong. Sie vereine Vertreter der verschiedenen Gruppen, um "der Gewalt ein Ende zu setzen, Vertrauen aufzubauen und die Achtung der Rechte aller zu garantieren, die dieses Land als ihr Zuhause ansehen". Es gelte, Konflikte durch Dialog zu lösen und nicht mit Gewalt, so Franziskus.

Die Religionen können nach den Worten des Papstes auf dem Weg zu Frieden im Land eine "besondere Rolle" spielen. Er mahnte erneut, religiöse Unterschiede nicht als trennend, sondern als "Kraft zur Einheit, zur Vergebung, zur Toleranz und zum klugen Aufbau der Nation" zu sehen. So könnten die verschiedenen Religionen eine bedeutende Rolle bei der "Heilung der emotionalen, geistigen und psychologischen Wunden" spielen, die während der Jahre des Konflikts entstanden seien.

Ähnlich hatte sich Franziskus bereits am Morgen bei einem Treffen mit Vertretern verschiedener Glaubensrichtungen in der Residenz des Erzbischofs in Rangun geäußert. Dort plädierte er für einen gemeinsamen Aufbau des Landes. Meinungsverschiedenheiten sollten demnach in brüderlicher Weise ausgetragen werden. Franziskus warnte dabei vor einer "weltweiten Tendenz zur Einförmigkeit". Es gehe vielmehr darum, den "Reichtum unserer Unterschiede" etwa in religiösen oder ethnischen Fragen zu erkennen. Unter den 17 Teilnehmern des Treffens waren fünf Buddhisten, drei Muslime, zwei Hindus, sechs Christen und ein Jude.

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Anschließend flog der Papst nach Naypyidaw. In der Hauptstadt Myanmars traf er Staatsrätin Aung San Suu Kyi, die die Notwendigkeit von Frieden und Güte untereinander betonte. Die Seligpreisungen Jesu seien bis heute "Programm und Herausforderung für politische und religiöse Anführer ebenso wie für Verantwortliche in Wirtschaft und Medien", sagte die Friedensnobelpreisträgerin und De-facto-Regierungschefin.

Zum Umgang mit der muslimischen Minderheit der Rohingya blieb Suu Kyi vage. Es sei "eine Herausforderung, eine Gesellschaft, Gemeinschaften und Unternehmen aufzubauen, indem man als Friedensstifter agiert". Dies erfordere, "Erbarmen zu zeigen" indem man darauf verzichte, Menschen auszuschließen, die Umwelt zu schädigen oder um jeden Preis gewinnen zu wollen. Suu Kyi erinnerte an die Verfassungsprinzipien ihres Landes und an die Anfangsworte der Nationalhymne, "niemals abzuweichen vom Weg gerechter Freiheit". Der Besuch des Papstes gebe den Birmanern "Stärke und Hoffnung", weiter nach Versöhnung und gesellschaftlicher Harmonie zu streben. Myanmar mit seinem "Teppich unterschiedlicher Völker, Sprachen und Religionen" stehe noch vor vielen Herausforderungen.

Am Dienstagabend (Ortszeit) fliegt Franziskus zurück nach Rangun, wo er während seines Myanmar-Aufenthalts im Haus Kardinal Bos untergebracht ist. Am Mittwoch stehen dort unter anderem noch eine Heilige Messe sowie ein Treffen mit den Bischöfen Myanmars auf dem Programm, bevor es am Donnerstag weiter ins benachbarte Bangladesch geht. (bod/KNA)

Die Ansprache des Papstes im Wortlaut

Katholisch.de dokumentiert die Rede des Papstes vor Vertretern der Regierung Myanmars sowie vor dem Diploamtischen Corps in der offiziellen deutschen Fassung des Vatikan:

Frau Staatsberaterin,
werte Mitglieder der Regierung und Vertreter des öffentlichen Lebens,
Herr Kardinal, verehrte Mitbrüder im bischöflichen Dienst,
sehr geehrte Mitglieder des Diplomatischen Corps,
meine Damen und Herren,

für die freundliche Einladung, Myanmar zu besuchen, sage ich innigen Dank, und ich danke der Frau Staatsberaterin für ihre herzlichen Worte.

Vielmals danke ich allen, die unermüdlich dafür gearbeitet haben, diesen Besuch möglich zu machen. Ich bin vor allem gekommen, um mit der kleinen, aber lebendigen katholischen Gemeinde dieses Landes zu beten, um sie im Glauben zu stärken und in ihrem Bemühen zu fördern, zum Wohl der Nation beizutragen. Es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit, dass mein Besuch nach der Aufnahme der formalen diplomatischen Beziehungen zwischen Myanmar und dem Heiligen Stuhl stattfindet. Ich möchte diese Entscheidung als Ausdruck der Verpflichtung dieser Nation sehen, den Dialog und die konstruktive Zusammenarbeit innerhalb der größeren internationalen Gemeinschaft fortzusetzen als auch das Gefüge der Zivilgesellschaft zu erneuern.

Gerne möchte ich ebenso, dass mein Besuch die ganze Bevölkerung Myanmars erreicht und ein Mut machendes Wort all denen bietet, die sich gerade um den Aufbau einer gerechten gesellschaftlichen Ordnung in Versöhnung und Inklusion bemühen. Myanmar wurde mit einer außerordentlichen Schönheit und zahlreichen natürlichen Ressourcen gesegnet. Doch sein größter Reichtum ist sicher sein Volk, das viel gelitten hat und aufgrund interner Konflikte und Feindseligkeiten, die viel zu lange andauern und tiefe Spaltungen hervorgerufen haben, weiter leidet. Da nun die Nation daran arbeitet, den Frieden wiederherzustellen, muss die Heilung dieser Wunden eine zentrale politische und geistliche Priorität darstellen. Ich kann die Bemühungen der Regierung, diese Herausforderung anzugehen, nur würdigen. Dies geschieht insbesondere durch die Friedenskonferenz von Panglong, welche die Vertreter der verschiedenen Gruppen im Bestreben vereint, der Gewalt ein Ende zu setzen, Vertrauen aufzubauen und die Achtung der Rechte aller zu garantieren, die dieses Land als ihr Zuhause ansehen.

Tatsächlich kann der mühevolle Prozess des Friedensaufbaus und der nationalen Versöhnung nur durch den Einsatz für die Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenrechte vorwärtskommen. Die Weisheit der Denker bezeichnete die Gerechtigkeit als den Willen, einem jeden das zuerkennen, was ihm zusteht, während die alten Propheten sie als den Grund für den echten und dauerhaften Frieden ansahen. Diese Erkenntnis wurde durch die tragische Erfahrung zweier Weltkriege bestätigt und hat zur Gründung der Vereinten Nationen und zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geführt. Sie bilden die Grundlage für die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, auf der ganzen Erde die Gerechtigkeit, den Frieden und die menschliche Entwicklung zu fördern und Konflikte durch Dialog zu lösen und nicht im Rückgriff auf Gewalt. In diesem Sinn bezeugt die Anwesenheit des Diplomatischen Corps in unserer Mitte nicht nur den Platz, den Myanmar unter den Nationen einnimmt, sondern auch die Verpflichtung des Landes, diese Grundprinzipien zu wahren und einzuhalten. Die Zukunft Myanmars muss der Friede sein – ein Friede, der sich auf die Achtung der Würde und der Rechte eines jeden Mitglieds der Gesellschaft gründet, auf die Achtung jeder ethnischen Gruppe und ihrer Identität, auf die Achtung des Rechtsstaates und einer demokratischen Ordnung, die es dem Einzelnen und jeder Gruppe – niemand ausgeschlossen – erlaubt, seinen legitimen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten.

Bei der großen Aufgabe der Versöhnung und der nationalen Integration üben die Religionsgemeinschaften eine besondere Rolle aus. Die religiösen Unterschiede dürfen nicht Quelle der Trennung und des Misstrauens sein, sondern müssen vielmehr eine Kraft zur Einheit, zur Vergebung, zur Toleranz und zum klugen Aufbau der Nation sein. Die Religionen können eine bedeutende Rolle spielen bei der Heilung der emotionalen, geistigen und psychologischen Wunden derer, die während der Jahre des Konflikts gelitten haben. Wenn sie aus ihren tief verwurzelten Werten schöpfen, können die Religionen helfen, die Ursachen des Konflikts auszumerzen, Brücken des Dialogs zu bauen, die Gerechtigkeit zu suchen und eine prophetische Stimme für die Leidenden zu sein. Es ist ein großes Hoffnungszeichen, dass die Führer der verschiedenen religiösen Traditionen dieses Landes sich im Geist der Eintracht und der gegenseitigen Achtung darum bemühen, gemeinsam für den Frieden zu arbeiten, den Armen zu helfen und zu den echten religiösen und menschlichen Werten zu erziehen. Mit dem Versuch, eine Kultur der Begegnung und der Solidarität zu schaffen, tragen sie zum Gemeinwohl bei und bestimmen die unerlässlichen moralischen Grundlagen einer hoffnungsvollen und blühenden Zukunft für die kommenden Generationen.

Diese Zukunft liegt noch heute in den Händen der jungen Menschen des Landes. Die Jugendlichen sind ein Geschenk, das geliebt und ermutigt werden muss, eine Investition, die allein dann reichen Ertrag bringen wird, wenn es echte Arbeitsmöglichkeiten und eine qualitätsvolle Ausbildung gibt. Dies ist eine dringende Voraussetzung der Generationengerechtigkeit. Die Zukunft Myanmars in einer Welt in rasanter Entwicklung und Vernetzung wird von der Bildung seiner jungen Menschen abhängen, und zwar nicht nur auf den technischen Gebieten, sondern vor allem in Bezug auf ethische Werte wie Ehrlichkeit, Integrität und menschliche Solidarität. Sie können die Festigung der Demokratie und des Wachstums der Einheit und des Friedens auf allen gesellschaftlichen Ebenen gewährleisten. Auch die Generationengerechtigkeit verlangt, dass die künftigen Generationen eine Umwelt erben können, die von der Gier und Ausbeutung durch den Menschen unversehrt ist. Es ist unerlässlich, dass unseren Jugendlichen nicht die Hoffnung und die Möglichkeit geraubt werden, ihren Idealismus und ihre Fähigkeiten bei der Gestaltung der Zukunft ihres Landes, ja der ganzen Menschheitsfamilie einzusetzen.

Liebe Freunde, in diesen Tagen möchte ich meinen katholischen Brüdern und Schwestern Mut machen, im Glauben auszuharren und durch karitative und humanitäre Werke, die der ganzen Gesellschaft zugutekommen, die eigene Botschaft von Versöhnung und Brüderlichkeit weiter zum Ausdruck zu bringen. Meine Hoffnung ist es, dass sie in respektvoller Zusammenarbeit mit den Anhängern anderer Religionen und mit allen Männern und Frauen guten Willens dazu beitragen, eine neue Ära der Einigkeit und des Fortschritts für die Völker dieses geschätzten Landes einzuleiten. Lang lebe Myanmar! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Mit meinen besten Wünschen für Ihren Dienst für das Gemeinwohl erbitte ich Ihnen allen den göttlichen Segen mit den Gaben der Weisheit, der Stärke und des Friedens. Danke!